Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
Autos und Lieferwagen fuhren einfach weiter, verlangsamten nicht einmal. Wenn er bis nach Scarborough kam, würde Mark gute Chancen haben, auf irgendeinem Bau vorübergehend Arbeit zu finden. Was, war ihm egal: Gräben ausheben, Abrissarbeiten. Er war für so gut wie alles zu gebrauchen, solange man dafür nicht gebildet sein musste. Schule war in seiner Kindheit und Jugend kaum mehr als eine nette Abwechslung gewesen.
Ein Polizeiwagen fuhr vorbei und schien ein wenig langsamer zu werden. Mark erstarrte. Er wusste, dass die Bullen ihn nicht als Anhalter mitnehmen würden. Eher würden sie ihn zusammenschlagen und blutend am Wegrand liegen lassen. Aber vielleicht hatte er es sich auch nur eingebildet, denn das Auto fuhr weiter und verschwand in der Ferne.
Mark trottete weiter und machte sich nicht einmal mehr die Mühe, den Arm auszustrecken. Ein paar Kilometer musste er schon gelaufen sein, vor ihm erhob sich der steile Kamm von Sutton Bank, da hörte er ein Fahrzeug kommen. Er hob den Arm. Das Auto wurde langsamer und hielt ungefähr zehn Meter weiter. Schicker Flitzer, dachte Mark, ein Audi, der wie frisch geputzt glänzte. Mal was anderes als ein Auto mit Pferdeanhänger. Einen Augenblick hatte Mark Angst, es könnte Tinas Mörder sein, aber woher sollte der wissen, wo Mark sich aufhielt?
Der Fahrer beugte sich herüber und öffnete das Beifahrerfenster. Er war im mittleren Alter und trug einen hellbraunen Mantel und Lederhandschuhe. Mark kannte ihn nicht.
»Wo willst du hin?«, fragte der Fahrer.
»Nach Scarborough«, sagte Mark.
»Steig ein.«
Der Mann kam ihm sehr freundlich vor. Mark stieg ein.
* 10
Banks nahm seine Lederjacke, ging durch die Hintertür nach draußen und schob sich hinters Lenkrad seines 1997er Renaults. Langsam wurde es Zeit für ein neues Auto, vielleicht etwas Sportlicheres, sofern er sich das leisten konnte. Nichts Auffälliges, auf keinen Fall ein rotes Auto. Lieber englisches Racing Green. Ein Cabrio war ziemlich sinnlos in Yorkshire, aber ein Sportwagen käme schon eher in Frage. Das Auto für die Midlife-Crisis, auch wenn er sich nicht sonderlich krisengeschüttelt fühlte. Manchmal hatte er das Gefühl, sein Leben stehe permanent auf der Stopptaste, aber so was konnte man ja nicht »Krise« nennen. Nur eines war sicher: Er wurde immer älter.
Gerade war eine interessante Information über Andrew Hurst hereingekommen. Annie war unterwegs und zeigte Phil Keane den Turner aus Roland Gardiners Safe (Superintendent Gristhorpe hatte die Konsultation ohne Umschweife genehmigt), sodass Banks beschlossen hatte, allein zum Kanal zu fahren.
Er schob eine alte Van-Morrison-CD ein, um die trübe Januarstimmung zu vertreiben - die, wie er vermutete, nicht allein aufs Wetter zurückzuführen war -, und fuhr zu »Jackie Wilson Said« los. Bis zum Stadtrand war es nicht weit, vorbei am College mit der neuen Fassade, dann noch ein paar Kilometer durchs Grüne bis zum Kanal. Die Straße wand sich durch Felder mit Kühen und Schafen, zu beiden Seiten Trockenmauern, gelegentlich unterbrochen von einem Wald und Zaunübertritten mit Wegweisern für Wanderer. Allerdings herrschte alles andere als Wanderwetter. Ehe man so richtig im Grünen war, hatte man sich wahrscheinlich längst erkältet oder war im Sumpf versunken. Zu seiner Rechten sah Banks in der Ferne die Hügel, sie glichen der Dünung von Wellen im grauen Meer.
Zum Kanal hin wurde die Landschaft flacher, weshalb der Kanal hier natürlich gegraben worden war. Schnell fand Banks den Weg, der zum Schleusenwärterhaus hinunterführte. Er parkte am Treidelpfad und stellte die Musik aus, als Van Morrison gerade zu »Listen to the Lion« ansetzte.
Es schien Ewigkeiten zu dauern, ehe Hurst zur Tür kam. Er machte ein erstauntes Gesicht, als er Banks erblickte.
»Sie schon wieder«, sagte er.
»Leider ja«, erwiderte Banks. »Haben Sie nicht mit mir gerechnet?«
Hurst wich Banks' Blick aus. »Ich habe Ihnen doch alles gesagt.«
»Sie müssen uns ja für ziemlich blöd halten. Kann ich reinkommen?«
»Tun Sie ja eh.« Hurst machte die Tür auf und trat zur Seite. Die Decke im Flur war ziemlich niedrig, Hurst zog den Kopf ein. Banks ging in das Zimmer, das er bereits kannte, der Raum mit Hursts riesiger Plattensammlung. Helen Shapiro sang gerade »Lipstick on Your Collar«. Kaum war Hurst bei Banks, stellte er die Musik ab, so als handelte es sich um eine
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