Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
zu fluchen und um sich zu schlagen. Unten in der Arrestzelle trieb er die Wachleute in den Wahnsinn, weil er ununterbrochen schrie und gegen die Tür hämmerte.
»Ist er nicht momentan auf Kosten Ihrer Majestät untergebracht?«
»Allerdings«, sagte Hatchley. »In Strangeways. Wird noch 'ne ganze Weile sitzen. Ist in ein Lagerhaus eingebrochen und hat dem Nachtwächter mit 'nem Hammer auf den Kopf geschlagen. Schädelbruch.«
»Wie lange war er mit der Siddons zusammen?«
»Bis sie Krebs bekam«, erklärte Hatchley. »Da war er sofort über alle Berge. Sie ist allein gestorben, kein schöner Tod.«
»Wohnte er denn noch im Haus, als Mark abgehauen ist?«
»Ja. Offenbar war das der Grund. Man mag's kaum glauben, aber Mark hat ihm scheinbar eine mächtige Abreibung verpasst. Jedenfalls lag Nick mehrere Tage im Krankenhaus. Nasenbeinbruch, Rippenbruch. Kopfwunde mit zwanzig Stichen genäht. Gehirnerschütterung. Kam scheinbar überraschend. Mark hat einfach rot gesehen, wie die Nachbarn sagen. Nicht mal seine Mutter konnte ihn von dem Alten trennen.«
»Gut für ihn«, sagte Banks. »Und Nick hat sich nicht an ihm gerächt? Passt gar nicht zu ihm.«
»Er konnte den Jungen nicht finden, und dann wurde er für den Bruch eingelocht.«
»Aber Mark selbst ist nicht vorbestraft, oder?«
»Nein. Wir hatten ihn ein paarmal hier wegen Einbrüchen, einmal wurde er beim Ladendiebstahl ertappt. Aber kam nie vor Gericht. Das ist alles.«
»Gibt's irgendwas, weshalb wir ihn noch drankriegen könnten?«
»Nee. Ich konnte jedenfalls nichts finden.«
Und wenn Hatchley nichts fand, dann gab es auch nichts. Er verfügte über ein großes Netz von Zuträgern und Informanten, hatte quasi in jedem Eastvaler Pub ein Augenpaar. »Also ist er im Großen und Ganzen sauber?«, fragte Banks.
»Sieht so aus«, bestätigte Hatchley. »Ist auf die Gesamtschule Eastvale gegangen, hat aber ständig geschwänzt. Ärger hat er nicht groß gemacht, nur einmal hat er sich mit 'nem Lehrer angelegt, aber mit seinen schulischen Leistungen hat er auch nicht gerade geglänzt. War gut im Sport. Soll ich weitersuchen?«
»Tauchen in seiner Vergangenheit irgendwelche Brände auf?«
»Hab nichts gefunden.«
»Er hat nicht zufällig versucht, die Schule oder sein Elternhaus anzuzünden, nachdem er Crazy Nick krankenhausreif geprügelt hat?«
»Nein, er ist einfach abgehauen. Und nie mehr zurückgekommen.«
»Vernünftig«, sagte Banks. Bei dem, was Mark durchgemacht hatte, bei der Mutter und ihren zahlreichen Kerlen und bei Crazy Nick Papadopoulos war es kein Wunder, dass Mark Tinas Leidensgeschichte sofort Glauben geschenkt hatte. Das hieß natürlich nicht, dass sie gelogen haben musste. Immerhin hatte auch Banks gespürt, dass etwas im Hause Aspern nicht stimmte. Und da war noch etwas: Aus Hatchleys Ausführungen schloss Banks, dass Mark offenbar zu Jähzorn neigte, auch wenn seine Auflehnung gegen Crazy Nick noch so verständlich gewesen war. Man musste den Jungen im Auge behalten.
»Gut, Jim«, sagte Banks. »Herzlichen Dank.«
»Gern«, erwiderte Hatchley. »Keine Ursache.«
Am Montagnachmittag hatte Mark es bis kurz vor Sutton Bank geschafft. Er hatte einen Riesenhunger. Zum Glück war er am Sonntag nach dem Schock mit Tinas Bild im Fernsehen anschließend in den Pub zurückgekehrt und hatte etwas gegessen. Der Wirt hatte ihn abschätzig gemustert, aber ansonsten hatte niemand seinen hastigen Aufbruch und seine Rückkehr bemerkt. Am Abend hatte er Fish and Chips gegessen und sich wieder eine Scheune gesucht. Am Morgen war er früher aufgewacht, hatte aber nur noch Geld für einen Schokoladenriegel übrig. Er war mehrere Kilometer gelaufen, ehe ihm klar wurde, dass er nicht zu Fuß an die Ostküste gehen konnte. So was machten nur Freaks. Er musste versuchen zu trampen.
Vor Northallerton nahm ein Mann mit Pferdeanhänger ihn bis nach Thirsk mit. Während der Fahrt merkte Mark, dass das Pferd hinten unruhig wurde. Es roch nach Dung. Der Fahrer hatte nicht viel gesagt und Mark in der High Street herausgelassen. Jetzt war er auf der Scarborough Road und hoffte, dass wieder ein freundlicher Mensch anhalten würde.
Es war ein grauer Nachmittag. Die Wolken hingen so tief und die Luft war so feucht, dass es fast regnete. »Fisseln« nannte man das in Yorkshire, eine eisige Mischung aus Nieselregen und Nebel. Es war nicht viel Verkehr, die meisten
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