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Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre

Titel: Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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alles nichts zur Sache. Weshalb sind Sie hier?«
      Unruhig hockte Dr. Lukas auf der Kante eines Sessels, ihr vorgeneigter Körper war angespannt, die Hände hatte sie im Schoß verschränkt. Sie trug ausgeblichene Jeans und ein weißes Herrenfreizeithemd und war nicht geschminkt. Sie wirkte müde und abgespannt, wie schon in der Praxis.
      »Sie haben recht«, sagte Annie. »Ich bin nicht zum Vergnügen hier.« Sie überlegte, suchte den passenden Einstieg. »Sehen Sie, bei einer Mordermittlung verbergen die Leute manchmal etwas, halten mit der Wahrheit zurück. Nicht weil sie schuldig sind, sondern weil sie vielleicht ein kleineres Unrecht begangen und Angst haben, dass wir es aufdecken und sie strafrechtlich verfolgen. Verstehen Sie das?«
      »Ich höre zu.«
      »So etwas macht unsere schwierige Arbeit noch komplizierter. Wir wissen nicht, was wichtig ist und was nicht. Woher sollen wir wissen, worauf wir unsere Ermittlungen konzentrieren sollen?«
      »Jede Arbeit hat ihre Schwierigkeiten«, sagte Dr. Lukas. »Auch meine. Ich verstehe nicht, wozu es gut sein soll, dass Sie mir erzählen, wie schwer Ihr Job ist.«
      »Ich dachte, wenn Sie das verstünden, würden Sie es einsehen und mir die Wahrheit sagen.«
      »Wie bitte?«
      »Sie haben mich gut verstanden.«
      »Ich glaube nicht, dass ich richtig gehört habe. Wollen Sie etwa behaupten, ich hätte gelogen?«
      »Ich sage, dass Sie möglicherweise etwas verbergen, weil Sie befürchten, dass es Sie in ein schlechtes Licht rückt. Ich würde nicht behaupten, dass Sie lügen, sondern eher dass Sie die Wahrheit verschweigen. Es kann wichtig sein oder nicht, vielleicht kommt es Ihnen unwichtig vor, aber ich würde gerne wissen, was es ist, und ich glaube, Sie möchten es mir eigentlich sagen.«
      »Wie kommen Sie darauf?«
      »In meinem Job bekommt man Menschenkenntnis. Ich halte Sie für einen anständigen Menschen. Ich glaube, Sie stehen unter einem ganz enormen Druck. Das könnte natürlich mit Ihrer Arbeit zusammenhängen oder aber mit persönlichen Problemen, die überhaupt nichts mit unserer Ermittlung zu tun haben. Aber ich habe das Gefühl, dass es etwas gibt, was mit der Sache zu tun hat.«
      »Aha.« Dr. Lukas stand auf und ging zum Barschrank. »Ich glaube, ich muss etwas trinken«, sagte sie und nahm ein Glas und eine Flasche Southern Comfort heraus. »Sie auch?«
      »Nein, danke«, erwiderte Annie.
      »Wie Sie möchten.« Sie goss sich großzügig ein und setzte sich wieder. Jetzt ließ sie sich etwas tiefer in den Sessel sinken. Die Falten der Anspannung auf ihrer Stirn und um Augen und Mund glätteten sich. Das Konzert verklang, Annie hörte das Publikum im Radio klatschen, dann wurde es vom Ansager unterbrochen. Dr. Lukas stellte das Radio aus, trank einen Schluck Southern Comfort und betrachtete Annie mit ihren ernsten braunen Augen. Annie hatte das Gefühl, dass die Ärztin versuchte, sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Es konnte gut sein, dass sie nur die halbe Wahrheit erzählen würde, wenn überhaupt. So etwas geschah oft.
      Die Uhr tickte, der Regen klopfte gegen die Fensterscheibe. Dr. Lukas überlegte und trank. Als Annie es fast nicht mehr aushielt, sagte die Ärztin: »Sie haben recht.«
      »Womit?«
      »Mit den Leuten, die einem die Wahrheit vorenthalten. Glauben Sie etwa, das passiert in meinem Beruf nicht? Ich werde ständig angelogen. Wie viel die Leute trinken. Ob sie rauchen. Welche Medikamente sie nehmen. Wie oft sie Sport treiben. Als ob sie durch das Lügen gesünder würden. Aber ich habe mir nichts vorzuwerfen.«
      »Die Menschen bewerten sich nach unterschiedlichen Maßstäben«, sagte Annie. »Vielleicht meinen Sie, nichts moralisch oder ethisch Falsches getan zu haben, und trotzdem haben sie ein Gesetz gebrochen. Oder umgekehrt.«
      Dr. Lukas brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ein feiner Unterschied.«
      »Ich habe nicht vor, Ihnen die Berufserlaubnis entziehen zu lassen.«
      »Da bin ich ja froh.«
      »Aber ich will die Wahrheit wissen. Was sind späte Mädchen?«
      Dr. Lukas trank noch einen Schluck Southern Comfort, ehe sie antwortete. Dann fuhr sie mit einem Finger über den Rand des Glases. »Das ist eigentlich ganz einfach«, sagte sie. »Das sind Mädchen, die spät in die Praxis kommen.«
      »In welchem Sinne? Spät in der Schwangerschaft?«
      »Nein, da irren Sie sich.«
      »Nun, mir wurde ja nicht gerade auf die Sprünge

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