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Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre

Titel: Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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auf die Fabrik zusteuerte, hatte er mehr Angst, als er je für möglich gehalten hätte. Die schmutzige Backsteinfassade war mit Graffiti in Neonfarben beschmiert. Würde er jetzt die Stelle sehen, wo sein Bruder erschossen worden war? Der kleine Roy, den er vor einem Raufbold gerettet und mit einem Spielzeugschwert verletzt hatte? Banks biss die Zähne zusammen. Er merkte, dass sein gesamter Körper angespannt war.
      Die Türen sahen aus, als würden sie niemanden einlassen, waren aber schnell geöffnet. Kurz darauf eilten die drei durch das weitläufige Gebäude. Laut hallten ihre Schritte wider. Die klaffenden Löcher im Dach, die verrosteten alten Maschinen und Trommeln, die Paletten und das Unkraut in den Rissen an den Wänden und auf dem Boden verliehen der leeren Fabrik etwas, das Banks schon immer verstört hatte. Er glaubte, dass es mit einem Traum aus seiner Kindheit zu tun hatte, der ihm große Angst gemacht hatte, ohne dass er sich genauer an ihn erinnern konnte. Außerdem meinte er, dass dieses bedrückende Gefühl etwas mit der Kugellagerfabrik gegenüber seinem Elternhaus zu tun hatte, obwohl sie damals in Betrieb gewesen war und er keine unangenehmen Erinnerungen mit ihr verband. In seinem Viertel hatte es immer verlassene Häuser, Werkstätten und Fabriken gegeben, die er auf der Jagd nach vermeintlichen Ungeheuern mit seinen Freunden erkundet hatte. Aus welchem Grund auch immer - solche Orte ließen ihn noch immer erschaudern, das war jetzt nicht anders.
      »Mit dir komme ich wirklich an die schönsten Orte, Dave«, sagte Annie. »Hier ist es fast so hübsch wie die Straße in Bow.«
      »Immerhin regnet's heute nicht«, meinte Brooke.
      Eine Ratte huschte unter einem verrosteten Metallblech hervor und hüpfte auf dem Weg nach draußen fast über Annies Schuhe. Sie verzog das Gesicht, gab aber keinen Laut von sich. Durch Lücken im Dach fielen Sonnenstrahlen und beleuchteten die Staubflocken, die von den dreien aufgewirbelt wurden. Die großen Fensterscheiben hinter den Schutzgittern waren zerbrochen, Glassplitter lagen herum und reflektierten das Licht. Hier und dort waren ölige Pfützen und nasse Flecken vom Regen der letzten Nacht.
      In der Mitte des Raumes entdeckte Banks einen Holzstuhl, versteckt hinter verrosteten Maschinen. Daneben lagen schlangenähnliche Stricke.
      »Wir halten besser Abstand«, sagte Brooke beim Näherkommen. »Die Spurensicherung ist gleich da, die sind nicht begeistert, wenn wir über den ganzen Tatort trampeln.«
      Banks blieb stehen. Er meinte, Blutflecke am Strick und neben dem Stuhl zu sehen. Kurz hatte er ein Bild von Roy vor Augen, der dort festgebunden war. Er spürte dessen Angst, an diesem verkommenen Ort sterben zu müssen. Dann meldete sich Banks' Polizeigehirn und versuchte, die Szene zu interpretieren.
      »Roy wurde mit einer Zweiundzwanziger in den Kopf geschossen, genau wie Jennifer Clewes, stimmt's?«, fragte er.
      »Genau«, bestätigte Brooke.
      »Es gab keine Austrittswunde?«
      »Nein.«
      »Wo kommt dann das ganze Blut her?«
      Banks merkte, dass Brooke und Annie einen Blick austauschten.
      »Los!«, sagte Banks. »Ich bin kein Dummkopf.«
      »Der Pathologe hat Hinweise darauf gefunden, dass er geschlagen wurde«, gestand Brooke.
      »Das heißt, die Schweine haben ihn gefoltert?«
      Brooke sah auf seine Schuhe hinunter. »Es sieht so aus. Aber noch wissen wir nicht mit Sicherheit, dass Ihr Bruder wirklich hier war. Auf dem Foto kann man ihn nicht richtig erkennen.«
      »Wer soll es sonst gewesen sein?«, gab Banks zurück. »Na, jetzt haben Sie jedenfalls genug Blut für eine Überprüfung.«
      »Stimmt«, sagte Brooke.
      »Aber warum wurde er gefoltert?«, fragte Banks.
      »Das wissen wir nicht«, entgegnete Annie. »Wohl damit er etwas verriet. Oder um herauszufinden, wie viel er über etwas wusste oder schon weitererzählt hatte.«
      »Ich glaube nicht, dass es lange gedauert hat, bis Roy redete«, meinte Banks. Das Bild des Raufboldes, der Roy drangsalierte, blitzte in seinem Kopf auf. Roy hatte geweint und sich den schmerzenden Bauch gehalten. Dann war Banks als älterer Bruder eingeschritten. Aber hier hatte er Roy nicht retten können. Er war nicht für ihn da gewesen. Roy war getötet worden. Banks hoffte nur, dass seine Eltern niemals von der Folter erführen. Er machte Annie und Brooke keine Vorwürfe, es ihm verschwiegen zu haben - er hätte wahrscheinlich genauso

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