Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre
nicht, Sir. Die wahrscheinlichste Erklärung ist wohl, dass sie den Zettel selbst geschrieben hat. Vielleicht wurde ihr die Adresse am Telefon diktiert. Das wissen wir erst mit Sicherheit, wenn wir eine Schriftprobe von Jennifer Clewes haben.«
»Haben Sie DCI Banks erreichen können?«
»Er ist nicht zu Hause, und sein Handy ist abgestellt. Ich habe Nachrichten hinterlassen.«
»Na, dann wollen wir mal hoffen, dass er sie bekommt und sich meldet. Ich würde wirklich gerne wissen, warum eine junge Frau mitten in der Nacht von London zu ihm hochfährt und am Ende eine Kugel im Kopf hat.«
»Er kann überall sein«, meinte Annie. »Schließlich hat er Urlaub.«
»Hat er Ihnen nicht gesagt, wohin er will?«
»Er sagt mir momentan nicht viel, Sir.«
Gristhorpe runzelte die Stirn und kratzte sich am Kinn, dann lehnte er sich in seinem großen Polstersessel zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Wie geht's ihm denn so?«, fragte er.
»Da müssen Sie mich als Letztes fragen. Wir haben seit dem Brand nicht mehr viel miteinander gesprochen.«
»Ich dachte, Sie wären befreundet.«
»Das sage ich mir ja auch. Aber Sie kennen Alan. Er ist nicht der Typ, der zu viel von sich preisgibt. Ich glaube, er gibt mir die Schuld an dem, was passiert ist, an dem Feuer und so. Schließlich war ich mit Phil Keane zusammen. Wie dem auch sei - in letzter Zeit ist Alan sehr schweigsam. Um ehrlich zu sein: Ich denke, er ist depressiv.«
»Das wundert mich nicht. So was kann vorkommen nach einer Krankheit oder einem Unfall. Man kann eigentlich nichts groß tun außer warten, dass sich der Nebel auflöst. Und was ist mit Ihnen?«
»Mit mir? Mir geht's gut. Ich komme klar.« Annie merkte, dass sie angespannt und wenig überzeugend klang, aber sie konnte es nicht ändern. Auf gewisse Weise kam sie durchaus zurecht. Jedenfalls war sie nicht depressiv, sondern verletzt und böse, vielleicht auch ein wenig unkonzentriert.
Gristhorpe sah ihr so lange in die Augen, bis ihr unwohl wurde. Dann sagte er: »Wir müssen herausbekommen, warum das Opfer Alans Adresse in der Tasche hatte. Aber die Tote können wir nicht mehr fragen.«
»Sie hat eine Mitbewohnerin«, erklärte Annie. »Die Kollegen von Lambeth North hatten keinen Bock mehr, draußen zu warten, und sind reingegangen. Jennifer Clewes wohnt mit einer Frau namens Kate Nesbit zusammen. Zumindest lagen im Flur Briefe an eine Kate Nesbit und an eine Jennifer Clewes.«
»Haben die Kollegen schon mit der Mitbewohnerin gesprochen?«
»Sie ist nicht zu Hause.«
»Auf der Arbeit?«
»Am Samstag? Vielleicht. Oder sie ist das Wochenende über unterwegs.«
Gristhorpe schaute auf die Uhr. »Es ist besser, Sie fahren da runter, Annie«, meinte er. »Sagen Sie Ihrem alten Kumpel in Kennington Bescheid, dass Sie unterwegs sind. Suchen Sie die Mitbewohnerin auf und sprechen Sie mit ihr!«
»In Ordnung.« Annie stand auf. »Da ist noch was.«
»Was denn?«
Annie wies auf den Zettel. »Die Adresse. Ich meine, es ist natürlich Alans Anschrift, aber da wohnt er im Moment ja nicht.«
»Das ist mir auch schon aufgefallen«, erwiderte Gristhorpe. »Sie meinen, das könnte wichtig sein?«
»Nun«, sagte Annie, die Hand am Türknauf. »Er wohnt bereits seit vier Monaten im alten Steadman-Haus. Man sollte doch meinen, dass all seine Bekannten - jedenfalls die, die ihn gut kennen - Bescheid wissen. Ich meine, wenn sie eine neue Freundin oder so war, warum hatte sie dann die alte Anschrift?«
»Da haben Sie recht.« Gristhorpe kratzte sich an der Nase.
»Was denken Sie, sollen wir tun?«
»Wegen DCI Banks?«
»Ja.«
Gristhorpe überlegte. »Sie sagen, er geht nicht ans Telefon?«
»Eben. Weder zu Hause noch ans Handy.«
»Wir müssen ihn so schnell wie möglich finden, aber ich möchte es noch nicht offiziell machen. Winsome soll bei seinen Verwandten und Freunden herumhören, vielleicht weiß ja einer, wo er ist.«
»Ich habe überlegt, bei Banks vorbeizufahren - beim Cottage und der Wohnung -, um mich einfach mal umzusehen ... verstehen Sie ... einfach sicherstellen, dass alles in Ordnung ist.«
»Gute Idee«, lobte Gristhorpe. »Meinen Sie wirklich, dass Sie damit klarkommen?«
Annie sah sich über die Schulter um. »Natürlich, Sir«, erwiderte sie. »Warum nicht?«
Banks klopfte an einige Haustüren, aber nur ein Nachbar machte auf,
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