Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre

Titel: Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
sagte Banks und blieb in der Tür stehen.
      »Ja, er war erst zehn oder fünfzehn Minuten vorher nach Hause gekommen, so gegen Viertel nach neun. Ich hab gesehen, wie er den Wagen in die Garage gefahren hat. Es sah aus, als hätte er es eilig.«
      Der Anruf bei Banks war um 21:29 Uhr eingegangen, also kurz nach Roys Heimkehr. Wo war er gewesen? Über was hatte er nicht am Telefon sprechen können? Während Roy telefonierte, hatte jemand an der Haustür geklingelt, kurz darauf war er wieder aufgebrochen, wahrscheinlich mit dem Mann, der geläutet hatte. Wohin waren sie gefahren?
      »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Mr. Farrow«, sagte Banks. »Ich will Sie nicht länger stören.«
      »Sie stören nicht. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie etwas hören, ja?«
      »Sicher«, versprach Banks.
     
    Wieso sollte ich nicht damit klarkommen, Banks zu suchen, fragte sich Annie, als sie auf dem Hügel parkte und zum alten Steadman-Haus ging. Ihre Liebesbeziehung war Geschichte, was interessierte sie also, ob er etwas mit dieser Jennifer Clewes hatte oder nicht? Für sie war wichtig, dass die Frau tot und Banks verschwunden war.
      Auf der Brücke blieb Annie kurz stehen. Es war einer dieser Frühsommertage, wenn die Welt in Sonnenschein getaucht ist und einem eigentlich alles leichtfallen müsste. Doch Annie spürte eine gewisse Melancholie, als färbten sich die ersten Blätter schon wieder braun. Sie merkte, dass sie in Gedanken immer wieder zu den ungelösten Problemen zurückkehrte, die ihr keine Ruhe ließen.
      Als Banks aus dem Krankenhaus gekommen war, hatte sie ihm so viel sagen, so viel erklären wollen. Sie hatte sich entschuldigen wollen, so dumm gewesen zu sein, aber er hatte sie nicht an sich herangelassen. Schließlich hatte Annie aufgegeben. Dann hatten sie weiter zusammengearbeitet, als sei nichts Entscheidendes zwischen ihnen vorgefallen.
      Aber es war etwas vorgefallen. Phil Keane, Annies Freund, hatte versucht, Banks zu töten. Er hatte Banks betäubt und sein Cottage in Brand gesteckt. Annie und Winsome hatten ihren Chef gerade noch rechtzeitig herausgeholt, aber Phil war verschwunden.
      Offiziell war das natürlich nicht Annies Schuld. Nicht ihr Fehler. Woher hätte sie das wissen sollen? Aber immer wieder flüsterte eine Stimme ihr ein, sie hätte es wissen müssen. Sie hätte die Zeichen sehen müssen. Banks hatte sogar Andeutungen gemacht, aber sie hatte ihn für eifersüchtig gehalten. Noch nie zuvor hatte sie sich so gründlich geirrt. Natürlich war sie schon früher einmal unglückliche Beziehungen eingegangen, das passierte ja jedem. Aber so etwas nicht. Es war die absolute, die schlimmste Demütigung. Das machte sie wütend. Sie war immerhin bei der Polizei, Herrgott noch mal! Eigentlich sollte sie einen Instinkt für Menschen wie Phil Keane haben; sie hätte ihm selbst auf die Schliche kommen müssen.
      Auf gewisse Weise war diese Geschichte schlimmer als die Vergewaltigung, die ihr vor über drei Jahren widerfahren war. Das mit Phil war die totale emotionale Vergewaltigung, sie hatte blaue Flecken auf Annies Seele hinterlassen. Denn sie hatte Phil Keane geliebt, so ungern sie sich das auch eingestand. Jetzt wurde ihr allein bei dem Gedanken übel, dass er sie gestreichelt, ihr Vergnügen bereitet hatte, in sie eingedrungen war. Wie hatte sie bloß so geblendet sein können von seinem Charme, seiner Schönheit, seiner Intelligenz, seiner mitreißenden Energie und Lebensfreude, die ihr - und allen anderen in seiner Nähe - das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein, auserwählt?
      Nun, jetzt wusste sie, dass sich hinter seinem Charme eine unendliche, undurchdringliche Dunkelheit verbarg - die Gewissenlosigkeit eines Psychopathen, gepaart mit der unersättlichen Habgier eines gewöhnlichen Diebes. Dazu der Hang zum Spiel und die Freude an Täuschung und Demütigung. Aber war Phils Charme nur aufgesetzt? Je länger Annie darüber nachdachte, desto mehr kam sie zu dem Schluss, dass sein Charme mehr als reine Schau war, sondern dass er tief in seinem Wesen verwurzelt war, ein vom Bösen in seinem Inneren nicht zu trennender Tumor. Man konnte nicht einfach den Lack abkratzen und die schreckliche Wahrheit darunter erkennen; Phils Oberfläche war ebenso echt wie der Rest.
      Solche Gedanken sollten an einem so schönen Tag wie diesem verboten sein, sagte Annie sich und verdrängte die Wut, die in ihr aufstieg, wenn sie an Phil und die Geschehnisse des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher