Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
damals noch keine toxikologischen Nachweise.«
»Was war denn die Todesursache?«
»Offiziell rutschte er neben dem Swimmingpool aus, fiel ins flache Wasser, schlug mit dem Kopf auf und ertrank. Das Mandrax könnte seine Reaktion verlangsamt haben. Er hatte Wasser in der Lunge.«
»Was ist mit dem Schlag auf den Kopf? Könnte es auch stumpfe Gewalteinwirkung gewesen sein?«
»Die Wunde ließ eher auf eine große breite Fläche als auf einen stumpfen Gegenstand schließen.«
»Wie zum Beispiel der Boden des Swimmingpools?«
»Genau, Chef.«
»Was sagten die Partygäste?«
»Was zu erwarten war. Alle schworen, schon geschlafen zu haben, keiner hatte angeblich auch nur den kleinsten Mucks gehört. Um ehrlich zu sein, hätte wahrscheinlich keiner mitbekommen, wenn er in den Pool gefallen wäre. Die waren doch alle zugedröhnt. Da bekommt man nicht viel mit. Weil er sich den Kopf gestoßen hatte, war er bereits ohnmächtig.«
»Gibt es Vermutungen, warum er nackt war?«
»Nein«, sagte Templeton. »Aber das war doch damals nichts Besonderes, oder? Hippies und der ganze Kram. Freie Liebe. Orgien und so weiter. Jede Ausrede war recht, um sich die Klamotten vom Leibe zu reißen.«
»Wer leitete die Ermittlung?«
»Detective Chief Inspector Cecil Grant war verantwortlich - er ist inzwischen tot -, aber ein Detective Sergeant namens Keith Enderby erledigte den Großteil der Laufarbeit.«
»Sommer 1970«, sagte Annie. »Der wird höchstwahrscheinlich inzwischen pensioniert sein, aber vielleicht ist er ja noch aufzutreiben.«
»Ich frage mal in der Personalabteilung nach.«
»Kev, hattest du beim Lesen mal den Eindruck, dass den ermittelnden Beamten Knüppel zwischen die Beine geworfen wurden, weil es um eine berühmte Rockband und einen Peer ging?«
Templeton kratzte sich die Stirn. »Hm, jetzt, wo du das sagst ... es ging mir schon durch den Kopf. Aber wenn man sich die Fakten ansieht, gibt es keinen Hinweis darauf. Sergeant Enderby scheint unter den gegebenen Bedingungen ordentlich gearbeitet zu haben. Andererseits traten die Bandmitglieder geschlossen auf und zeigten sich als einheitliche Front. Ich glaube keine Sekunde, dass tatsächlich alle um zwei oder drei Uhr nachts geschlafen haben und nichts hörten. Ich wette mit dir, dass einige wach waren und herumschlichen, auch wenn sie vielleicht nicht mehr in der Lage waren, Wirklichkeit und Einbildung auseinander zuhalten. Ohne weiteres könnte jemand gelogen haben, um einen anderen zu schützen. Es können auch zwei oder drei in den Todesfall verwickelt gewesen sein. Verschwörungstheorie. Die andere Sache ist natürlich, dass es kein Motiv gibt.«
»Kein Streit innerhalb der Band?«
»Nichts, auf das man damals hätte den Finger legen können. Aber auch davon hätten sie den ermittelnden Beamten kaum erzählt, oder?«
»Nein, aber in der Musikbranche könnte es Gerüchte gegeben haben. Diese Band lebte einen Großteil der Zeit unter öffentlicher Beobachtung.«
»Also, wenn da was war, dann war es ein wohl gehütetes Geheimnis«, sagte Templeton. »Ich habe mir einiges im Internet angesehen; das war damals eine erfolgreiche Gruppe, überall dabei. Wenn man heute ein bisschen herumforschen und die richtigen Fragen stellen würde, vielleicht ... keine Ahnung ... wäre es heute anders.«
»Versuch doch bitte, diesen Sergeant Enderby aufzuspüren, und ich rede mal mit DCI Banks.«
»Gut, Chef«, sagte Templeton und erhob sich. »Soll ich die Akten hier lassen?«
»Mach das ruhig«, sagte Annie. »Ich guck sie mir noch mal an.«
* Donnerstag, 18. September 1969
Rick Hayes' Büro in Soho lag über einer Trattoria in der Frith Street, unweit von Ronnie Scotts Jazzclub und mehreren schäbigen Sexshops und Striplokalen. Nach einem Espresso in der Bar Italia auf der anderen Straßenseite stieg Chadwick wieder etwas munterer das schäbige Treppenhaus hinauf und klopfte an die Glasscheibe einer Tür mit der Aufschrift HAYES CONCERT PROMOTIONS. Eine Stimme rief, er solle hereinkommen. Als er eintrat, saß Hayes an einem überladenen Schreibtisch und legte die Hand über die Sprechmuschel seines Telefons.
»Inspector! Das ist aber eine Überraschung«, sagte Hayes. »Setzen Sie sich! Könnten Sie bitte kurz warten? Diesen Kerl konnte ich ewige Zeiten nicht erreichen.«
Chadwick wartete, doch nahm er nicht Platz, sondern lief durch das Büro, eine
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