Inspector Alan Banks 16 Im Sommer des Todes
und McGarrity trat zur Seite, um sie hereinzulassen. Es war ungewöhnlich still im Haus. Keine Musik, keine Stimmen. Yvonne ging ins Vorderzimmer, setzte sich aufs Sofa und zündete sich eine Zigarette an. Mehrmals schaute sie zu dem Bild von Goya hinüber, das sie immer wieder faszinierte. Kurz darauf kam McGarrity mit einem Joint in der Hand herein und sagte: »Steve ist nicht da. Wie wär's mit mir?«
»Was?«
McGarrity legte eine Platte auf und setzte sich in den Sessel gegenüber von Yvonne. Er hatte dieses schiefe Grinsen drauf, zynisch und spöttisch, durch das sie in seiner Gegenwart immer nervös wurde und sich unbehaglich fühlte. Seine blasse Haut war pockennarbig, als hätte er als Kind Windpocken gehabt und zu viel gekratzt. Yvonnes Mutter hatte sie immer davor gewarnt. McGarritys dunkles Haar war fettig und strähnig und fiel ihm in die Stirn, sodass man nur eines seiner dunkelbraunen Augen sehen konnte. »Steve. Er ist nicht da. Ist keiner da.«
»Wo sind die alle?«
»Auf der Town Street, einkaufen.«
»Wann kommen sie zurück?«
»Weiß ich nicht.«
»Vielleicht komme ich besser später wieder.«
»Nein. Geh noch nicht. Hier!« McGarrity reichte Yvonne den Joint.
Sie zögerte, dann legte sie ihre Zigarette im Aschenbecher ab, nahm den Joint und zog mehrmals daran. Nun, ein Joint war ein Joint. Er schmeckte gut. Super Qualität. Jetzt erkannte Yvonne auch die Musik: Grateful Dead, »China Cat Sunflower«. Nett. Trotzdem war es ihr unangenehm, wie McGarrity sie anstarrte, und sie musste an den Abend im Grove denken, als er sie berührt und ihren Namen geflüstert hatte. Wenigstens hatte er heute nicht das Messer in der Hand. Er wirkte einigermaßen normal. Doch Yvonne war nervös. Sie rutschte auf dem Sofa herum und sagte: »Danke. Ich gehe jetzt besser.«
»Warum bist du so unhöflich? Du willst den Joint mit mir rauchen, aber nicht hier bleiben und mit mir reden?« Wieder reichte er ihr den Joint, Yvonne nahm noch einmal zwei Züge und hoffte, dass sie dadurch ruhig und entspannter wurde. Was störte sie bloß so an diesem Kerl? Dieses Grinsen? Das Gefühl, dass nichts als Leere dahinter war?
»Worüber möchtest du sprechen?«, fragte sie, gab ihm den Joint zurück und griff zu ihrer eigenen Zigarette.
»Schon besser so. Keine Ahnung. Reden wir über das Mädchen, das letzte Woche ermordet wurde.«
Yvonne erinnerte sich an McGarritys Messer. Sie wusste, dass er während des Konzerts in Brimleigh durch die Zuschauermenge gelaufen war. Ein schrecklicher Gedanke kam ihr in den Sinn. Er konnte doch wohl nicht ...? Jetzt kroch Angst in ihr hoch, sie spürte sie körperlich wie Insekten, die über ihre Haut krabbelten. Yvonne warf einen Blick auf den Schlaf der Vernunft und meinte, um den Kopf des schlummernden Mannes Fledermäuse fliegen zu sehen, die ihm mit Vampirzähnen in den Hals bissen. Die Katze zu seinen Füßen leckte sich das Schnäuzchen. Yvonne spürte ein elektrisiertes Kribbeln in den Armen und an der Rückseite der Beine. Käfer und E-lektrizität. Meine Güte, war das Hasch stark. Und jetzt lief ein anderes Lied. Nicht mehr »China Cat Sunflower«, sondern »What's Become of the Baby«, eine gruselige Geräuschmontage aus körperlosen Stimmen und elektronischen Effekten. »Linda?«, hörte sie sich selbst mit verzerrter, ferner Stimme fragen, die gar nicht zu ihr zu gehören schien. »Was ist mit ihr?«
»Du hast sie kennengelernt. Das weiß ich. War sie hübsch? Ist doch traurig, oder? Aber die Welt ist absurd und tyrannisch«, sagte McGarrity. »So was könnte jedem passieren. Überall. Jederzeit. Den Hübschen genauso wie den Schlichten. Wie Fliegen für mutwillige Buben sind wir den Göttern. Sie morden uns zum Spaß. Nicht mit einem Knall, sondern einem Wimmern. Eines Tages wirst du das verstehen. Hast du von diesen Leuten in Los Angeles gelesen? Von diesen Reichen, die abgeschlachtet wurden? Eine von denen war schwanger. Sie haben ihr das Baby aus dem Bauch geschnitten. In der Zeitung steht, sie seien von Leuten wie uns getötet worden, weil es reiche Schweine waren. Möchtest du nicht auch so etwas tun, kleine Von? Diese Schweine umbringen?«
»Nein. Ich will niemandem weh tun«, stieß Yvonne hervor. »Ich glaube an die Liebe.«
»Seine Sense wird treffen die Unschuldigen und die Schuldigen gleichermaßen. Die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt.«
Yvonne hielt sich die Ohren zu. Ihr
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