Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
Mörder noch Opfer vorbeikommen würden, beschloss ich, die Überwachung für den Abend zu beenden.
Banks hatte also recht gehabt mit seiner Theorie, dass Templeton privat im Labyrinth Streife ging. Nicht dass es angesichts des Mordes an dem jungen Kollegen ein großer Trost gewesen wäre. Er sah sich noch einmal in der Wohnung um, schloss ab und ging zurück zur Dienststelle. Den Notizblock nahm er mit.
Die Fahrt nach Eastvale zog sich hin, und Annie war nicht völlig überzeugt, dass es sich lohnen würde, aber was Banks ihr am Telefon gesagt hatte, war verstörend und fesselnd genug gewesen. Nach dem Gespräch mit Keith McLaren hatte sie sich sowieso nicht mehr hinlegen wollen, so müde sie auch war. Und so fuhr sie am Sonntagmorgen durch das Moor, ohne durch viel Verkehr aufgehalten zu werden. Durch die Sonnenwärme war der morgendliche Nebel inzwischen vollständig verdunstet, es war ein frischer, klarer Frühlingstag.
Als Annie gegen halb elf das Präsidium der Western Area betrat, spürte sie die angespannte, melancholische Stimmung.
Selbst wenn Banks es ihr nicht erzählt hätte, wäre ihr auf der Stelle klar gewesen, dass ein Kollege ermordet worden war. Nichts war mit dieser Atmosphäre vergleichbar. Die Beamten saßen mit zusammengebissenen Zähnen an ihren Aufgaben, waren gereizt, und über allem hing eine Wolke aus Empörung und Schock.
Banks war in seinem Büro, Winsome stand neben ihm. Er wühlte durch den Stapel von Unterlagen auf seinem Schreibtisch. Als Annie eintrat, stand er auf und begrüßte sie. Sie spürte keinerlei Feindseligkeit bei ihm, was sie nach ihrer letzten Begegnung durchaus erwartet hätte. Dadurch fühlte sie sich noch schlechter. Er müsste sie eigentlich hassen. Winsome war diejenige, die kühl wirkte. Nach einem kurzen Hallo war sie sofort verschwunden. Banks bedeutete Annie, sich hinzusetzen, und bestellte Kaffee.
»Tut mir leid, dass ich so früh angerufen habe«, sagte er. »Ich hoffe, du hattest gestern keine anstrengende Nacht in der Stadt.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Annie.
»Nur so. War ja schließlich Samstagabend. Da gehen die Leute gerne mal aus. Oder vielleicht warst du auch bei deinem Freund.«
»Welcher Freund?«
»Der, von dem du letztens erzählt hast. Der junge Typ.«
Annie lief rot an. »Ach, der. Tja, hast du schon mal von einer wilden Kneipentour in Whitby gehört?«
»Oh, ganz oft«, sagte Banks grinsend.
»Dann weißt du mehr über den versteckten Charme dieser Stadt als ich. Nein, ich war schon beim Arbeiten, als du anriefst.« Annie überlegte. »Es tut mir echt leid, das mit Kev. Ich war kein Fan von ihm, weißt du ja, aber egal was ich von ihm als Mann oder Kollege gehalten habe, ist es ganz furchtbar, was mit ihm geschehen ist.«
»Er war kein richtiger Mann«, sagte Banks. »Der arme Kerl war noch ein Junge. Das haben wir alle immer wieder vergessen.«
»Was meinst du damit?«
»Er war unreif, eigensinnig, impulsiv.«
Annie brachte ein schwaches Grinsen zustande. »Das sind jetzt auf einmal die Vorrechte der Jugend, was?«
»Erwischt«, erwiderte Banks. »Egal, ich würde jedenfalls gerne mit dir darüber sprechen, was mit Kev geschehen ist.« Banks fasste kurz zusammen, was er bisher in Erfahrung gebracht hatte. Das meiste hatte er sich aus der Zeugenaussage von Chelsea Pilton und den Informationsfetzen von PC Kerrigan, Stefan Nowak und Dr. Burns zusammengereimt. »Bist du auch der Meinung, dass es Ähnlichkeiten mit dem Mord an Lucy Payne gibt?«
»Du lieber Himmel, ja!« Annie fuhr sich mit der Hand durch die Locken. »Ich hatte ja keine Ahnung.« Sie erzählte Banks von ihren Gesprächen mit Sarah Bingham und Keith McLaren und wies darauf hin, dass immer wieder der Name der geheimnisvollen Kirsten Farrow auftauchte. »Was ist hier eigentlich los, Alan?«, fragte sie.
»Wenn ich das wüsste«, seufzte Banks. »Egal, was es ist, es gefällt mir nicht.«
»Dir nicht und mir auch nicht. Hast du eine Ahnung, wer diese geheimnisvolle Frau sein könnte?«
»Ich schätze, es könnte diese Kirsten sein. Hast du schon etwas über Maggie Forrest?«
»Ja. Ginger hat sie über ihren Verlag ausfindig gemacht. Sie ist wieder in Leeds. Ich dachte, ich statte ihr heute Nachmittag mal einen Besuch ab. Aber wieso kommst du gerade auf sie? Ich meine, sie hat vielleicht ein gutes Motiv für den Mord an Lucy Payne, aber mit Templeton hatte sie doch
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