Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
könnte alles Mögliche sein, in jedem Beruf?«
»Schon. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass sie einen Universitätsabschluss hat. Zwar nur in Englischer Literatur, aber dennoch ... Anscheinend war sie ein kluges Mädchen mit einer großen Zukunft. Ich würde sagen, wir haben es mit einer Akademikerin zu tun.«
»Es sei denn, die Vergewaltigung richtete ihren Ehrgeiz völlig zugrunde«, argumentierte Banks. »Aber da ist schon was dran. Wenn sie wirklich das getan hat, was wir vermuten, dann ist sie unglaublich konzentriert, entschlossen und einfallsreich. Das schränkt das Ganze schon etwas ein. Wir können natürlich im Universitätsarchiv nachschauen. Wir suchen höchstwahrscheinlich eine Akademikerin, die gewusst haben kann, dass Karen Drew Lucy Payne war.«
»Da wäre zum Beispiel Julia Ford, Lucys Anwältin. Ginger war am Freitagnachmittag noch mal bei ihr und glaubt nicht, dass sie uns alles gesagt hat, was sie weiß.«
»Anwälte sind von Natur aus verschlossen, wenn es um Informationen geht.«
»Ich weiß«, sagte Annie. »Aber Ginger meint, bei Julia Ford sei es ganz extrem gewesen. Ich vertraue ihrem Instinkt.«
»Vielleicht sollte ich mal hingehen und mich mit Miss Ford unterhalten«, sagte Banks. »Ist schon eine Weile her, dass wir die Klingen gekreuzt haben.«
»Sarah Bingham ist auch Anwältin, behauptet aber, Kirsten seit Jahren nicht mehr gesehen zu haben.«
»Glaubst du ihr?«
»Ich denke schon«, sagte Annie.
»Gut. Wen gibt es sonst noch?«
»Eine Ärztin?«, schlug Annie vor. »Vielleicht aus dem Krankenhaus bei Nottingham, wo sie gelegen hat. Oder aus Mapston Hall. Da gibt es auch Ärztinnen und Krankenschwestern.«
»Gute Idee«, sagte Banks.
»Aber eins stört mich noch«, meinte Annie. »Wenn wir auf der richtigen Spur sind, warum bringt sie dann Templeton um?«
»Auch ein Fehler?«, vermutete Banks. »Sie hielt ihn für den Mörder, der das Mädchen umbringen wollte, nicht für einen Beschützer, so wie sie vor achtzehn Jahren Grimley mit dem Vergewaltiger verwechselte? Aber du hast recht. Wir brauchen noch viel mehr bestätigendes Material als bisher, um zu beweisen, dass die Morde miteinander in Verbindung stehen. Wer ist dein Tatortkoordinator?«
»Liam McCullough.«
»Das ist ein Guter«, meinte Banks. »Er soll sich in dieser Sache mal mit Stefan zusammensetzen. Irgendein Spurenmaterial müsste identisch sein: Haare, Fasern, Blut, Maße der Wunde, irgendwas, das Lucy Payne und Kevin verbindet. Vielleicht bekommen wir es ja hin, dass sich auch die Rechtsmediziner untereinander austauschen, wenn Dr. Wallace mit Kevin fertig ist.«
»Gut«, erwiderte Annie. »Les Ferris hat die Haarproben aus dem Greg-Eastcote-Fall ausfindig gemacht, die können wir jetzt mit denen abgleichen, die Liam und seine Leute bei Lucy Payne sichergestellt haben. Er meint, dass er bis morgen Vormittag fertig ist. Das könnte uns wenigstens ein für alle Mal sagen, ob wir es mit Kirsten zu tun haben. Wir müssen auch herausfinden, warum Kirsten - wenn sie es denn ist - nach so langer Zeit wieder angefangen hat.«
»Wenn wir recht haben, was ihre Motivlage angeht«, sagte Banks, »dann würde ich mal vermuten, es liegt daran, dass sie in den letzten achtzehn Jahren nicht mit Sexualstraftätern zu tun hatte. Ich will diese Woche noch mal nach Leeds. Wenn ich da bin, unterhalte ich mich mit Julia Ford. Vielleicht kann ich sie ja in die Richtung manövrieren, und ich lese mir noch mal die alten Sektionsprotokolle vom Chamäleon-Fall durch, die Phil Hartnell rausgelegt hat. Ich muss das überprüfen, aber ich meine mich zu erinnern, dass die Wunden, die die Paynes ihren Opfern zufügten, denen gleichen, die Kirstens Vergewaltiger ihr beibrachte, so wie du sie mir geschildert hast. Ich weiß, dass es nicht derselbe Mörder sein kann - Terence Payne ist tot, und dieser Greg Eastcote war wohl wirklich für die Morde vor achtzehn Jahren verantwortlich -, aber vielleicht lösten die Ähnlichkeiten ja bei Kirsten etwas aus.«
»Aber woher sollte Kirsten wissen, dass die Paynes ihren Opfern ähnliche Wunden zufügten?«, fragte Annie.
»Es gab damals viele Berichte in den Medien, auch später wieder, als Lucy Payne freigelassen wurde. Die Presse verlor keine Minute, die Leute daran zu erinnern, was genau unser Rechtssystem ihnen vor die Tür gesetzt hatte, egal ob Lucy noch laufen konnte oder nicht. Kirsten Farrow hat
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