Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
drehte er sich um. Fast im selben Moment schaute Sophia zurück, und die beiden lächelten sich an. Wie sonderbar, dachte Banks. Er sah sich sonst nie um, und er hätte auf der Stelle gewettet, dass Sophia es auch nicht tat.
* 15
Früh am Montagmorgen war Annie auf der Dienststelle, munter und gründlich ausgeschlafen. Am Vorabend hatte sie nichts Stärkeres als eine Tasse heißer Schokolade getrunken. Sie trat gegen den Kaffeeautomaten - das musste man tun, wenn man einen Becher haben wollte -, als Superintendent Brough vorbeikam und sagte: »In mein Büro, DI Cabbot. Sofort.«
Annie bekam einen Schreck. War Brough der Hüter des Kaffeeautomaten, oder hatte Eric es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Karriere zu zerstören? Hatte er doch noch mehr Fotos, die sie nicht gesehen hatte, und sie an Brough oder an den Polizeichef geschickt? Oder hatte er sie wegen ihrer Drohungen angezeigt? Sie ertrug es nicht, darüber nachzudenken.
Broughs Büro war geräumig und gut ausgestattet, so wie es einem ranghohen Beamten gebührte. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und bot Annie mürrisch an, gegenüber auf dem harten Stuhl Platz zu nehmen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie könnte anführen, dass sie betrunken gewesen war, aber das warf ein ebenso schlechtes Licht auf sie wie die Affäre mit dieser falschen Schlange von Eric.
»Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?«, fragte Brough.
Das war keine große Hilfe.
»Weswegen?«, fragte Annie.
»Das wissen Sie verdammt genau! Wegen dem Mord an Lucy Payne. Die Presse rückt mir so auf die Pelle, dass ich schon das Blei in den Stiften riechen kann, dabei habe ich absolut nichts, was ich denen erzählen könnte. Es ist jetzt eine Woche her, und soweit ich sehen kann, treten Sie auf der Stelle.«
In gewisser Weise war Annie erleichtert, dass es um den Fall ging und nicht um Eric. Seit Annie ihm am Freitag den Besuch abgestattet hatte, hatte er sich nicht mehr gemeldet, und das war ein gutes Zeichen, fand sie. Vielleicht hatte er den Hinweis verstanden, er war schließlich so subtil gewesen wie ein Wink mit dem Zaunpfahl.
Nein, es ging um die Arbeit. Damit konnte Annie umgehen. »Bei allem Respekt, Sir«, sagte sie, »wir haben alles getan, was möglich ist, um diese geheimnisvolle Frau aufzuspüren, aber sie scheint sich in Luft aufgelöst zu haben. Wir haben in Mapston Hall alle zweimal befragt - Mitarbeiter wie Patienten, so weit möglich -, aber niemand kann uns auch nur den geringsten Anhaltspunkt oder irgendeine Information geben. Niemand wusste irgendwas über Karen Drew. Und es ist nicht gerade so, als würden die Leute dort ein aktives gesellschaftliches Leben führen.«
Brough knurrte. »Lügt irgendjemand?«
»Könnte sein, Sir. Aber alle Mitarbeiter haben ein Alibi für die Tatzeit. Falls irgendjemand dort etwas damit zu tun hat, dann hatte er höchstens die Information weitergegeben, dass Karen Drew Lucy Payne war, aber nicht selbst den Mord begangen. Glauben Sie mir, Sir, wir sind dran.«
»Warum dauert das alles so lange?«
»So was braucht eben Zeit, Sir. Wir müssen den Hintergrund überprüfen, Informationen aufspüren. Ginger und DS Naylor sind wirklich super, aber es braucht Zeit und immer wieder neues Nachfassen.«
»Ich habe gehört, Sie sind auf Abwegen und beschäftigen sich mit einem alten Fall, treiben sich in Leeds und Eastvale herum und treffen sich dort mit Ihrem Exfreund. Ich führe hier keine Partnervermittlung, DI Cabbot. Vergessen Sie das nicht!«
»Ich verbitte mir diese Anspielung!«, sagte Annie. Sie konnte so einiges von Vorgesetzten einstecken, aber irgendwann brach der väterliche Hang zu Anarchie und Rebellion durch, und dann pfiff sie auf die Folgen. »Und Sie haben kein Recht, so mit mir zu sprechen.«
Brough schien verblüfft über Annies Gefühlsausbruch, doch er wurde sachlicher. Er rückte seine Krawatte gerade, und die rote Gesichtsfarbe verschwand. »Sie haben keine Vorstellung, unter welchem Druck ich stehe, ein Ergebnis vorzulegen«, sagte er, eine ziemlich lahme Ausrede.
»Dann schlage ich vor, dass Sie Ihre Leute ermutigen und unterstützen, anstatt auf persönliche Beleidigungen zurückzugreifen, Sir.«
Brough saß da wie ein begossener Pudel. Er druckste herum und schwafelte, bis er sich endlich durchrang, Annie zu fragen, worauf genau sie mit dieser Kirsten-Farrow-Sache hinauswolle.
»Ich bin mir noch nicht
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