Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht
hier. Habe ich doch gesagt.«
»Allein?«
»Ja. Allein. Ich bin immer allein. Das ist mir am liebsten. Wenn man allein ist, kann man niemanden verletzen und von niemandem verletzt werden.«
»Nur sich selbst.«
»Das zählt nicht.«
Eine Diesellok pfiff laut bei der Einfahrt in den Hauptbahnhof von Leeds. »Sie können also nicht beweisen, dass Sie hier waren?«, fragte Annie.
»Das konnte ich ja nicht wissen.«
»Was machten Sie?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Es ist erst eine Woche her«, sagte Annie. »Versuchen Sie es! Haben Sie nicht Ihre Mutter besucht?«
»Meine Mutter ist tot. Wahrscheinlich habe ich die Sonntagszeitung gelesen. Das mache ich immer sonntagmorgens. Bei gutem Wetter nehme ich sie mit runter in das Café mit den Tischen draußen, aber ich glaube, an dem Morgen war es windig und kalt.«
»Das wissen Sie also doch noch?«, bemerkte Annie.
»Deshalb blieb ich zum Zeitunglesen zu Hause.«
»Schon mal von einer Karen Drew gehört?«
Maggie schien sich über die Frage zu wundern. »Nein«, sagte sie. »Kann ich nicht behaupten.«
»Sonderbar«, meinte Annie. »Der Name stand in der Zeitung, als die Sache mit Lucy Payne bekannt wurde. Das war ihr Deckname.«
»Das wusste ich nicht. Muss mir entgangen sein.«
»Was empfinden Sie für Lucy?«
»Die Frau hat versucht, mich umzubringen. Als sie vor Gericht sollte, erzählte mir die Polizei, die Staatsanwaltschaft würde sie nicht mal anklagen. Was glauben Sie wohl, was ich empfinde?«
»Groll?«
»Damit können Sie anfangen. Lucy Payne missbrauchte mein Vertrauen und meine Hilfsbereitschaft, als sie Hilfe nötig hatte, und dann drehte sie sich um und verriet mich nicht nur, sondern hätte mich auch umgebracht, wenn die Polizei nicht dazwischengekommen wäre. Das weiß ich genau. Was glauben Sie wohl, was ich für sie empfinde?«
»Genug Zorn, um sie umzubringen?«
»Ja. Aber ich hab's nicht getan. Zum einen wusste ich gar nicht, wo sie war.«
»Kennen Sie Julia Ford?«
»Ich habe sie kennengelernt. Sie war Lucys Rechtsanwältin.«
»Haben Sie Kontakt gehalten?«
»Ich wende mich an ihre Kanzlei, wenn ich juristische Unterstützung brauche, aber das kommt nicht oft vor. Ob wir zusammen Golf spielen oder in den Pub gehen? Nein. Ich brauche auch keinen Strafrechtsanwalt. Ich habe meistens mit Constance zu tun. Constance Wells. Wir sind locker befreundet, würde ich sagen. Sie hat mir geholfen, diese Wohnung zu finden.«
Natürlich, dachte Annie und erinnerte sich an den gerahmten Druck an der Wand bei Constance Wells. Mit Sicherheit war er von Maggie. »Sie haben ihr die Illustration aus Hänsel und Gretel geschenkt.«
Maggie staunte. »Ja. Haben Sie die gesehen?«
»Ich war letzte Woche in ihrem Büro. Sie ist sehr gut.«
»Sie brauchen gar nicht so herablassend sein.«
»So war das nicht gemeint. Ich meine es ehrlich.«
Maggie zuckte abweisend mit den Schultern.
»Wo waren Sie gestern gegen Mitternacht?«
»Gerade aus London zurückgekommen. Am Freitagnachmittag hatte ich ein Gespräch mit meinem Verleger, da beschloss ich, bis Samstag zu bleiben und noch einkaufen zu gehen. Viel länger halte ich es in London dieser Tage nicht mehr aus.«
»Wo übernachteten Sie?«
»Im Hazlitt's. Frith Street. Mein Verleger bucht mir da immer ein Zimmer. Es ist sehr praktisch.«
»Und das kann man dort bestätigen?«
»Natürlich.«
Nun, dachte Annie und brach auf, es war sowieso weit hergeholt gewesen, aber vorbehaltlich der Bestätigung des Alibis sah es nicht so aus, als hätte Maggie Forrest Kevin Templeton umgebracht. Wenn es allerdings um Lucy Payne ging, stand Maggie noch immer weit oben auf der Liste. Und für den Zeitpunkt hatte sie kein Alibi.
Banks war als Erster im Bistro, und es war noch nicht sehr voll, so dass Marcel, der französische Oberkellner, ihn überschwänglich begrüßte und an einen ruhigen, abgeschiedenen Tisch mit weißer Leinendecke und einer langstieligen Rose in einer Glasvase führte. Banks hoffte, dass es nicht zu pompös war und Sophia nicht glaubte, er wolle Eindruck auf sie machen. Er hatte keinerlei Erwartungen, aber es war ein schönes Gefühl, mit einer gutaussehenden, intelligenten Frau essen zu gehen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das zum letzten Mal getan hatte.
Sophia war pünktlich, und Banks beobachtete sie, wie
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