Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht

Titel: Inspector Alan Banks 17 Wenn die Dämmerung naht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson

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»Der Täter lauert dort zu einer Uhrzeit herum, wenn sich dort wahrscheinlich viele betrunkene junge Mädchen aufhalten, die keine große Vernunft mehr an den Tag legen. Ich nehme an, es gibt noch andere ähnlich dunkle, verlassene Ecken in der Nähe des Stadtzentrums, aber die sind alle offener. Das Labyrinth ist perfekt für ihn. Vergessen Sie nicht, Jack The Ripper schlug nur in Whitechapel zu.«
      »Aber das war ein viel größeres Gebiet«, gab Gervaise zu bedenken. »Also, es tut mir ja leid, doch im Moment können wir nicht mehr tun, als die Zahl der Streifen in der Gegend zu erhöhen und Warnungen in den Pubs aufzuhängen, dass niemand allein ins Labyrinth gehen sollte, insbesondere keine Frauen«, sagte Gervaise. »Und man soll in der Gruppe bleiben, nicht allein herumlaufen. Das müsste fürs Erste reichen. Im Übrigen ist die Gegend noch immer ein Tatort und bleibt es auch noch eine Weile. Sie ist abgesperrt.«
      »Nur der Bereich bei Taylor's Yard«, widersprach Templeton, »und wenn jemand unbedingt morden will, dann kümmert er sich wohl kaum um so eine kleine Einschränkung wie -«
      »Es reicht jetzt, DS Templeton«, sagte Gervaise. »Das Thema ist erledigt.«
      »Ja, Ma'am«, erwiderte Templeton schmallippig.
      Eine Weile schwiegen alle, dann fragte Gervaise Banks, was als Nächstes anstehe.
      »Wir haben eine Liste möglicher Verdächtiger«, erwiderte er. »Joseph Randall, Stuart Kinsey, Zack Lane, Jamie Murdoch und Malcolm Austin. Und die Möglichkeit eines Serienmörders«, fügte er mit Blick auf Templeton hinzu. »Ich denke, als Nächstes müssen wir uns alle Verdächtigen noch einmal vornehmen und ein bisschen intensiver bearbeiten als beim letzten Mal. Vielleicht finden wir dann bei diesem oder jenem einen Ansatzpunkt.«
      Es klopfte an der Tür, dann trat ein Kollege von Stefan Nowak ein und überreichte ihm einen Umschlag. Alle schwiegen, als er ihn öffnete. Nachdem er den Inhalt gelesen hatte, schaute er zu Banks hinüber. »Das ist vielleicht nicht mehr nötig«, sagte Nowak. »Ich habe doch gesagt, unser Mörder ist möglicherweise gar nicht so klug, wie wir denken. Nun, in dem Laborbericht steht, dass die DNA von der Spermaspur auf Hayley Daniels' Oberschenkel dieselbe ist wie in der Speichelprobe, die Joseph Randall uns freiwillig gegeben hat. Es sieht aus, als hätten wir einen Treffer.«



* 9

    »Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben und mich besuchen kommen«, sagte Les Ferris, der Analyst, der angeblich wichtige Informationen für Annie hatte, als sie am späten Nachmittag in seinem Büro erschien. »Es ist fast schon Feierabend, und ich komme nicht oft raus«, fuhr er fort und nahm sein knittriges Tweedsakko von der Stuhllehne, »wie wär's also, wenn ich Sie zu einem Bier einlade? Oder zu einem Tee, wenn Sie das bevorzugen.«
      Annie überlegte kurz. Am Vorabend hatte sie wieder etwas getrunken, mit furchtbaren Folgen, doch jetzt fühlte sie sich besser, und ein Pint würde ihr nicht schaden. Außerdem herrschte in Ferris' Büro ein großes Durcheinander, und es roch nach überreifen Bananen. »In Ordnung«, sagte sie. »Einverstanden. Auf ein Pint.«
      Les Ferris grinste und zeigte dabei seine schiefen gelben Zähne. Er war ein rundlicher, untersetzter Mann mit rotem Gesicht, weißem Schnurrbart, traurigen Augen und Glatze.
      Es war' ein wunderschöner Abend in Scarborough, wie man ihn nur selten vor den Sommerferien erlebte - genau genommen selbst dann nicht oft -, und die Bewohner nutzten das Wetter aus. Pärchen bummelten händchenhaltend über die Promenade, am Strand standen Familien mit kleinen Kindern und Kinderwagen, warfen Steine in die Wellen. Ein mutiger Mann hatte sogar die Hosenbeine hochgekrempelt und stakste ins Wasser, hielt es aber nur wenige Sekunden aus. Annie roch Salz und Tang und hörte die Möwen über sich kreischen. Kurz musste sie an Lucy Paynes Leiche denken und erschauderte.
      »Kalt?«, fragte Ferris.
      Annie lächelte. »Nein«, sagte sie. »Musste nur gerade an etwas denken.«
      Vor ihnen, wo der Fels von Scarborough Castle mächtig über der Bucht schwebte, klatschten die Wellen gegen den Damm und versprühten Gischt. Ferris wählte einen gemütlichen Pub an einer Ecke in der Nähe vom Marine Drive. Man konnte auf den Hafen blicken. Es war Ebbe, einige weiße, rote und grüne Fischerboote lagen auf dem feuchten Sand. Ein Mann in einem blauen Arbeitsoverall strich den Rumpf eines Bootes.