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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Ziegenleder. Außerdem war er Franzose. So ein seltsamer Fall ist mir noch nie untergekommen.«
      Langsam schüttelte Billings den Kopf. »Kann ich jetzt gehen?«, fragte er.
      »Wohin?«
      »Keine Ahnung. Vielleicht ins Hotel, bis ...«
      Banks nickte und stand auf. Auf dem Weg nach unten trafen sie Owen Doughton, der mit Handschellen an einen breitschultrigen Constable gefesselt war. Billings erstarrte. Doughton funkelte ihn zornig an. »Er hat sie umgebracht!« Mit dem Kopf wies er auf Billings. »Den sollten Sie verhaften!« Dann sah er Billings ins Gesicht. »Damit musst du jetzt leben, du Geldsack. Du hast sie umgebracht, verstanden, du reicher Schnösel? Du hast sie getötet. Du hast Anna auf dem Gewissen!«
      Banks wusste nicht zu sagen, ob Doughton lachte oder weinte, als der Constable ihn hinunter in die Zelle brachte.
     
     

* Vermisst
     
    Selbstverständlich werden im Krieg ständig Menschen vermisst, normalerweise jedoch keine neunjährigen Jungen. Außerdem hatte der Krieg noch gar nicht richtig begonnen. Wir schrieben den 20. September 1939, als Mary Critchley gegen drei Uhr nachmittags an meine Haustür hämmerte und meinen Nachmittagsschlaf unterbrach.
      Es war Mittwoch, eigentlich hätte ich den Fünftklässlern an der Silverhill Grammar School Shakespeare beibringen müssen (die undankbarste Aufgabe, die man sich vorstellen kann), aber das Ministerium war nun endlich dazu gekommen, dort Luftschutzbunker zu errichten, weshalb die Schule in dieser Woche geschlossen war. Wir wussten nicht einmal, ob sie wieder öffnen würde, weil man plante, die Kinder zu evakuieren und aufs Land zu schicken. Nun wäre ich ganz sicher einer der Ersten, der zugegeben hätte, dass die größte Sehnsucht eines Lehrers eine Schule ohne Schüler ist, aber in der Zwischenzeit hatte die Regierung in ihrer unendlichen Weisheit uns unterbeschäftigten Lehrern so komplexe intellektuelle Aufgaben zugewiesen, wie Lebensmittelkarten für das Lebensmittelministerium vorzubereiten. (Die wussten immerhin, was uns bevorstand.)
      Das war nur ein kurzer Blick auf das Chaos, das damals herrschte. Nicht das Chaos des Krieges, das ich aus den Schützengräben von Ypern im Jahr 1917 kannte, sondern das Chaos der Regierungsbürokratie, die das Land auf den Krieg vorzubereiten versuchte.
      Immerhin hatte ich das Glück, Special Constable zu sein, ein ziemlich pompöser Titel für einen Teilzeit-Wachtmeister mit besonderen Aufgaben, und deshalb kam Mary Critchley zu mir gelaufen. Deshalb und weil ich ein wenig in dem Ruf stand, die Probleme der Menschen zu lösen.
      »Mr Baschcombe! Mr Baschcombe!«, rief sie. »Unser Johnny! Er ischt verschwunden! Sie müschen mir helfen.«
      Eigentlich heiße ich Bascombe, Frank Bascombe, aber Mary Critchley hatte einen leichten Sprachfehler, deshalb die falsche Aussprache. Da die eine Hälfte der Kinder dieser Stadt sich auf der Straße herumtrieb und die andere Hälfte auf überfüllten Bahnsteigen stand, in der Hand kleine Pappkartons mit Micky-Maus-Gas-masken, um mit Zügen in nahe gelegene Orte wie Graysthorpe, Kilsden oder Acksham gebracht zu werden, fand ich allerdings, dass Mrs Critchley ein wenig überreagierte. Und besonders willkommen war mir ihr Besuch auch nicht, da ich erst die Hälfte meines Nickerchens genossen hatte.
      »Wahrscheinlich ist er mit Freunden unterwegs«, versuchte ich sie zu beruhigen.
      »Nicht mein Johnny«, erwiderte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Nicht seit ... Sie wischen schon ...«
      Ich wusste Bescheid. Mrs Critchleys Mann - Ted für seine Freunde - war schon lange vor dem Krieg bei der Marine gewesen. Leider hatte er das Pech gehabt, auf dem Flugzeugträger Courageous zu dienen, der just vor drei Tagen von einem deutschen U-Boot vor der Südwestküste Irlands versenkt worden war. Über fünfhundert Mann waren verschollen, darunter Ted Critchley. Natürlich hatte man keine Leiche gefunden, würde man auch wohl nie, weshalb er offiziell nicht als tot, sondern als »Missing in Action« galt, als vermisst.
      Ich kannte auch den kleinen Johnny Critchley und hielt ihn für einen ernsthaften Burschen, etwas zu phantasievoll und gutgläubig vielleicht. (Sicher, in dem Alter sind noch viele so, später greift ihnen die Welt zwischen die Beine und lehrt sie Mores.) Johnny vertraute jedem, auch fremden Menschen.
      »Seit wir die Nachricht über Teds Schiff bekommen haben, hat Johnny keine grosche Luscht gehabt,

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