Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
»Weiß ja nicht, was die anderen dachten, aber ich hab's nicht geglaubt. Gibt so viele von diesen Geschichten, die können nicht alle wahr sein, sonst wären wir fast alle Mörder oder Leichen. Leuchtet doch ein, oder?« Er nahm einen langen Zug von seiner Zigarette. Er hielt sie umgekehrt in der hohlen Hand wie die meisten Soldaten, damit der Feind nicht die glühende Spitze sah.
      »Hast du mal gehört, was aus der Frau geworden ist?«, erkundigte ich mich.
      »Sie zog ein paar Jahre später fort. Man erzählte sich, in der Nacht, als angeblich jemand ermordet wurde, wäre noch eine andere Gestalt vom Bauernhaus fortgelaufen.«
      »Kann das vielleicht der Mann gewesen sein?«
      Sid schüttelte den Kopf. »Dafür war die Gestalt zu schmal. Der Ehemann war angeblich groß und breit. Danach wurde natürlich noch mehr über einen heimlichen Geliebten getratscht. Gibt immer einen Geliebten, schon mal gemerkt? Du weißt ja selbst, wie da geredet wird.«
      »Hat mal jemand vermutet, wer dieser andere gewesen sein könnte?«
      »Nein, nie. Es gab nur Gerüchte über eine Gestalt, die davonlief. Das sind richtige Ammenmärchen, über die wir hier reden.«
      »Aber vielleicht hat das Ganze einen wahren Ker-«
      In dem Moment wurde ich abgelöst, und die nächsten Wochen sollten sich derart chaotisch gestalten, dass ich Sid niemals wiedersah. Später erfuhr ich, dass er etwas mehr als einen Monat nach unserem Gespräch in der Schlacht von El Alamein fiel.
      Erst Anfang der fünfziger Jahre stieß ich wieder auf das Geheimnis von Rose Cottage. Damals wohnte ich in Eastvale in einer kleinen Wohnung über dem kopfsteingepflasterten Marktplatz. Die Stadt war kleiner und ruhiger, als sie heute ist, auch wenn sich sonst nur wenig verändert hat. Es sah ähnlich aus wie heute: das alte Marktkreuz, das Queen's Arms an der Ecke, die normannische Kirche und die Polizeiwache im Tudor-haus auf dem Markt selbst.
      Ich hatte gerade meinen ersten Roman veröffentlicht und sonnte mich noch in dem herrlichen Gefühl, das in der Karriere eines Schriftstellers einzigartig ist: der Tag, an dem er das erste gedruckte und gebundene Exemplar seines Werks in Händen hält. Natürlich war mit dem Schreiben kein Geld zu verdienen, weshalb ich eine Teilzeitstelle in einer Buchhandlung in der North Market Street hatte. An einem meiner freien Vormittage, es war Markttag, wie mir in Erinnerung ist, feilte ich konzentriert am dritten Kapitel des Buches, das mein zweiter Roman werden sollte, als ich ein schwaches Klopfen an der Tür hörte. Das allein schon überraschte mich, da ich nur selten Besuch bekam.
      Aufgeschreckt und neugierig stand ich von der Schreibmaschine auf und öffnete die Tür. Vor mir stand eine verhutzelte alte weißhaarige Dame mit einem Buckel. In der Hand hielt sie einen Stock mit einem Löwenkopfgriff aus Messing und ein kleines, in braunes Papier eingeschlagenes und mit einer Kordel umwickeltes Paket.
      Sie musste meine Verwirrung bemerkt haben, denn sie sagte mit schiefem Grinsen: »Erkennen Sie mich nicht mehr, Mr Riley? Ojemine, bin ich so alt geworden?«
      Da erkannte ich sie, an ihrer Stimme.
      »Miss Eunice!«, rief ich und riss die Tür weit auf. »Entschuldigen Sie bitte! Ich war ganz woanders. Kommen Sie doch herein! Und nennen Sie mich bitte Christopher!«
      Wir nahmen Platz. Neben uns zog eine Kanne Tee, leider ohne die Scones von Miss Teresa. Mir fielen die dunklen Ringe unter Miss Eunice' Augen, ihre gelben Pupillen und die pergamentartige Haut auf, und ich wusste, dass sie schwerkrank war.
      »Wie haben Sie mich gefunden?«, erkundigte ich mich.
      »Dazu muss man kein Sherlock Holmes sein. In einer Kleinstadt wie Eastvale weiß jeder, wo der berühmte Schriftsteller wohnt.«
      »Von berühmt kann keine Rede sein«, widersprach ich. »Aber vielen Dank. Ich wusste nicht, dass Sie sich die Mühe machen, meinen Weg zu verfolgen.«
      »Teresa hätte es gewollt. Sie mochte Sie sehr gerne, wissen Sie. Außer uns beiden und der Polizei waren Sie der einzige Mensch in Lyndgarth, der jemals Rose Cottage betreten hat, wussten Sie das? Vielleicht können Sie sich erinnern, dass wir sehr zurückgezogen lebten.«
      »Ja, das weiß ich noch«, erwiderte ich.
      »Ich wollte Ihnen das hier geben.«
      Sie reichte mir das Päckchen. Vorsichtig wickelte ich es aus. Es enthielt die bei Smith, Eider & Co erschienene Erstausgabe von Am grünen Rand der Welt mit Hardys

Weitere Kostenlose Bücher