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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Thema konnte noch warten.
      »Zehn Jahre blieb Teresa auf dem Hof«, fuhr Miss Eunice fort. »Dann verkaufte sie und ging nach Amerika. Es war ein beherzter Schritt, aber Teresa hatte es nie an Mut gemangelt, genauso wenig wie an Schönheit. Damals war sie Ende dreißig, und obwohl sie bereits eine Menge durchgemacht hatte, drehte man sich noch immer nach ihr um. In New York hatte sie endlich Glück und heiratete einen Finanzier. Sam Cotter. Ein guter Mann. Und sie nahm sich eine Gesellschafterin.«
      »Sie?«, fragte ich.
      Miss Eunice nickte. »Ja. Einige Jahre später starb Sam an einem Schlaganfall. Wir blieben noch eine Weile in New York, bekamen aber immer mehr Heimweh. 1919 kehrten wir zurück, direkt nach dem Großen Krieg. Aus verständlichen Gründen wollte Teresa nicht in der Nähe von Dorset leben, deshalb ließen wir uns in Yorkshire nieder.«
      »Eine bemerkenswerte Geschichte«, sagte ich.
      »Sie ist noch nicht zu Ende«, fuhr Miss Eunice fort und hielt nur kurz inne, um einen Schluck Tee zu trinken. »Es gab ein Kind.«
      »Aber Sie sagten doch eben-«
      Sie nahm die Hand vom Stock und hielt sie hoch. »Christopher, lassen Sie mich die Geschichte bitte so erzählen, wie ich es möchte. Danach können Sie damit machen, was Sie wollen. Sie können sich nicht vorstellen, wie schwer das für mich ist.« Sie verstummte und starrte so lange auf den Messinglöwen, dass ich schon befürchtete, sie sei eingeschlafen oder gar gestorben. Draußen auf dem Marktplatz versuchte ein Schlachter lauthals, eine Hammelkeule an den Mann zu bringen. Kurz bevor ich Miss Eunice zu Hilfe eilen wollte, regte sie sich wieder. »Es gab ein Kind«, wiederholte sie. »Mit fünfzehn Jahren bekam Teresa ein Kind. Es war eine schwere Geburt. Danach konnte sie keine Kinder mehr bekommen.«
      »Was geschah mit diesem Kind?«
      »Teresa hatte eine Schwester namens Alice, die in Dorchester wohnte. Alice war fünf Jahre älter, verheiratet und hatte schon zwei Kinder. Kurz bevor man die Schwangerschaft sehen konnte, fuhren Teresa und Alice für mehrere Monate zu Verwandten nach Cornwall. Vorher hatte man verkündet, Alice sei wieder schwanger. Sie würden sich wundern, wie oft das damals so gemacht wurde. Als sie zurückkamen, hatte Alice ein gesundes kleines Mädchen.«
      »Wer war der Vater?«
      »Das verriet Teresa nie. Nur eines stellte sie klar: dass ihr niemand ungewollt den Hof gemacht hatte und das Kind die Folge einer Liebesbeziehung, einer Schwärmerei war. Jacob Morgan war jedenfalls nicht der Vater.«
      »Hat sie das Kind noch mal gesehen?«
      »O ja. Es war ja völlig normal, die eigene Schwester zu besuchen und die Nichte aufwachsen zu sehen. Als das Mädchen etwas älter wurde, besuchte es auch gelegentlich den Hof.« Miss Eunice hielt inne und runzelte so stark die Stirn, dass ich glaubte, ihre Haut würde reißen wie trockenes Papier. »Und da fingen die Probleme an«, sagte sie leise.
      »Was für Probleme?«
      Miss Eunice stellte den Stock zur Seite und streckte mir ihre Teetasse entgegen. Ich schenkte nach. Mit jetzt ruhigen Händen hielt sie die Tasse vor die eingefallene Brust, als könnte nur deren Wärme sie am Leben erhalten. »Das ist der schwierigste Teil«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Ich wusste nie, ob ich ihn jemals würde erzählen können.«
      »Wenn Sie nicht wollen -«
      Sie wischte meinen Einwand beiseite. »Schon gut, Christopher. Mir war nicht klar, was genau ich Ihnen erzählen würde, als ich herkam, aber jetzt weiß ich es. Ich habe es bis hier geschafft. Jetzt kann ich nicht mehr zurück. Geben Sie mir nur ein bisschen Zeit, damit ich mich sammeln kann.«
      Der Markt draußen war in vollem Gange. In der nun folgenden Stille hörte ich den Lärm der Leute, die kauften und verkauften und um Preise feilschten.
      »Habe ich bereits erzählt, dass Teresa ein außerordentlich hübsches junges Mädchen war?«, fragte Miss Eunice nach einer Weile.
      »Ich glaube, ja.«
      Sie nickte. »So war es. Und ihre Tochter war ebenso hübsch. Als sie begann, ihre Tante allein zu besuchen, war sie zwölf oder dreizehn Jahre alt. Auch Jacob entging das nicht, er sagte immer, sie würde von Tag zu Tag schöner. Eines Tages war Teresa ins Dorf gegangen, um Brennholz zu holen, und das Kind traf in ihrer Abwesenheit ein. Jacob war gerade aus der Kneipe zurückgekommen und als Einziger zu Hause. Muss ich weitersprechen, Mr Riley?«
      Ich schüttelte

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