Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
gleichermaßen. Da sie so sehr daran gewöhnt war, in einer Situation ständiger Verstellung zu leben, bemerkte sie nur mühsam, daß sich ein großer Teil des echten Schmerzes hinter ihrem Schreien, dem Verrücktspielen und den großen Wogen dramatischer Szenen verbarg. Dann, als sie ausgezahlt worden war und White Wings verlassen hatte, verbrachte sie lange schreckliche Wochen in ihrer neuen Wohnung, in denen sie ihre Gefühle aufarbeitete und versuchte, das falsche Bedauern vom echten zu unterscheiden und den verwickelten Fäden ihrer Qualen auf den Grund zu kommen. Während dieser Zeit schlich sie umher, die Arme vor der Brust gekreuzt, als würde sie sich buchstäblich selbst Zusammenhalten, als wäre ihr ganzer Körper eine offene Wunde. Nach und nach kam sie ihren wahren Gefühlen näher, war in der Lage, sie zu untersuchen, zu prüfen und ihnen Namen zu geben. Das öde verzweifelte Bedauern, das hartnäckig ihren Geist erfaßt hatte, führte sie auf eine Art Trauer zurück um das Kind, das ihr nicht vergönnt gewesen war. (Sie hatte bis dahin nicht einmal realisiert, daß sie eines hätte haben wollen.) Diese Trauer schleppte sie ständig mit sich herum, wie einen kleinen Stein in ihrer Brust.
In dieser Phase hatte sie sich selbst, gestützt durch ihren natürlichen Stolz und einen enormen Einsatz an Selbstkontrolle, gezwungen, im Latimer weiterzumachen. Das zweite Gefühl, dem sie einen Namen geben konnte, war Esslyns Bekanntgabe von Kittys Schwangerschaft. Obwohl Rosa starr in eine andere Richtung blickte, hörte sie am Unterton seiner Stimme, daß er dabei breit grinste. Der Haß war danach so wild und mit solcher Kraft in ihr hochgestiegen, daß sie das Gefühl hatte, wenn sie jetzt den Mund öffnen würde, würde sie losbrüllen. Sie war zutiefst erschrocken darüber und hatte befürchtet, daß diese Bosheit die Herrschaft über sie gewinnen würde. In dieser Gefühlslage hätte sie einfach in die finstere Nacht hinauslaufen und beide übel zurichten können. Das glaubte sie jetzt nicht mehr. Aber die sengende Glut schwelte immer noch in ihr, und manchmal öffnete sie die Ofentür, stocherte darin herum und fachte sie ein wenig an, und dann verbrannte die Hitze ihre Wangen.
»Geht es dir gut, Liebling?«
»Oh«, Rosa wandte ihre Aufmerksamkeit wieder den Kartoffeln zu. »Ja, Liebling... mit mir ist alles in Ordnung...«
»Laß sie nicht anbrennen.«
»Nein, ich passe schon auf.«
Die Kartoffeln rochen hervorragend; sie waren tiefbraun mit einer kleinen Kruste in Butter gebraten. In erster Linie, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden, ließ Rosa sie noch eine Minute länger in der Pfanne, als es nötig gewesen wäre, dann gab sie sie in eine feuerfeste Schüssel und streute etwas gehackte Petersilie darüber. Sie setzten sich. Ernest nahm sich von dem Gemüse, und dann reichte er es Rosa.
»Nur drei Kartoffeln?«
»Na ja... weißt du...« Sie klopfte auf die Wülste ihres Bäuchleins, das sich unter ihrem weiten Kleid verbarg.
»So ein Unsinn«, rief Ernest. »Wenn Allah gewollt hätte, daß die Frauen dünn sind, dann hätte er nie die Dschellaba erfunden.«
Rosa mußte lachen. Ernest schaffte es immer wieder, sie mit seinem Witz zu überraschen. Sie nahm sich also noch ein paar Kartoffeln, während sich Ernest zu seiner weisen Entscheidung gratulierte - und das nicht zum ersten Mal -, den Reader’s Digest abonniert zu haben.
Esslyn hockte mit der Times und einer quadratischen Scheibe Toast mit Oxford-Marmelade am Frühstückstisch und sagte gönnerhaft zu seiner Frau: »Du wirst es schon richtig machen. Denn schließlich bist du ja nicht gerade mit Text überfrachtet. Jedenfalls ist es kaum mehr als bei Poppy Dickie.«
»Mir ist aber schlecht.«
»Natürlich ist dir schlecht, mein Engel. Du bist schwanger.«
Esslyn faltete den Wirtschaftsteil zusammen, ehe er wieder auf das Thema zu sprechen kam. »Wie würdest du denn damit fertig werden, wenn du den Salieri in Angriff nehmen müßtest? Ich jedenfalls verliere niemals den Faden.«
»Aber du liebst ja auch das Schauspielen.«
»Das ist nicht der Punkt.« Esslyn gab den Versuch auf, sich mit dem Vermögen von Rio Tinto Zinc zu befassen. Er sah seine Frau streng an. »Abgesehen von der Befriedigung zu wissen, daß man sehr vielen Leuten eine Menge Freude bereitet hat, ist es auch jedermanns Verpflichtung, sein Talent, wenn man denn welches besitzt, voll einzusetzen. Ich hasse
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