Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
mit neuen Waren auf. Eines späten Abends klopfte jemand an ihre Zimmertür. Sie öffnete einen Spalt. Ein Mann, der nach Eau de Cologne und Bier roch, stand vor ihr. Er trug einen Blazer mit Abzeichen, eine gestreifte Krawatte und graue Flanellhosen. »Ha ... ll... o«, sagte er und beäugte sie von oben bis unten.
»Was wollen Sie?«
»Ich bin ein Freund von Alan. Er dachte, wir könnten... du weißt schon... ein bißchen ...«
Sie knallte die Tür zu. Wut, Schmerz und Abscheu brodelten in ihr. Sie stand wie angewurzelt da, als würde mit jeder Bewegung eine neue Wunde aufgerissen. Dieser Bastard! Der Schmerz ließ nach; der Abscheu verwischte die schönen Erinnerungen an Alan und richtete sich gegen alle Männer seiner Art. Nur die Wut blieb bestehen. Sie lauschte. Keine Schritte. Er mußte noch immer da draußen sein. Sie riß die Tür auf. Er grinste lässig.
»Das kostet dich etwas«, sagte sie. Seine bierselige Selbstzufriedenheit schwand, und Barbara dachte: Deine alte Bekanntschaft nützt dir gar nichts, du wirst blechen. »Oh... äh ... meinetwegen...« Er ging einen Schritt auf die Tür zu, aber sie versperrte ihm den Weg.
»Wieviel hast du dabei?«
Er kramte nach seiner Brieftasche und zog Geldscheine, einen Führerschein und das Foto von einem Kind heraus.
»Fünfzig Pfund ...«
Beinahe ein Monatsgehalt. Sie trat zur Seite. »Vielleicht solltest du lieber reinkommen.«
Und so nahm alles seinen Anfang. Sie wurde immer weiter empfohlen - an den Freund eines Freundes und an dessen Freund. Genaugenommen war sie kaum mehr allein, fühlte sich jedoch nie geborgen. Dafür konnte sie ohne Mühe ihre Miete bezahlen und bekam Geschenke. Sehr hübsche Geschenke. Einen Pelzmantel von Harrod’s, einen großen Farbfernseher, einen Urlaub in Portofino, während die Frau ihres Freiers im Krankenhaus lag und an der Gebärmutter operiert wurde. Aber ihr fehlte die Sicherheit - die finanzielle Sicherheit. Gefühlsmäßig war sie unangreifbar. Keiner dieser Männer bedeutete ihr auch nur das Geringste. Sie sah auf sie herab, als würde sie weit über ihnen stehen, wenn sie wie impotente, schlaffe Seehunde keuchten und ächzten.
Nie wieder würde sie zulassen, daß dieses strahlende Gefühl sie beherrschte wie damals, vor zwanzig Jahren, als sie in den Büroräumen von Winstanley, Dennison und Winstanley den Verstand verloren hatte und auf Wolken geschwebt war. Heute konnte sie sich nicht einmal mehr an Alans Nachnamen, geschweige denn an sein Gesicht erinnern.
Und dann hatte sie Trevor Lessiter kennengelernt. Sie lief ihm im wahrsten Sinne des Wortes in der Lebensmittelabteilung von Marks und Spencers in die Arme. Als sie zu scharf um eines der Regale bog, verhakten sich ihre Einkaufswagen heillos ineinander. Sie schenkte ihm ihr professionelles strahlendes Lächeln, und er war auf Anhieb überwältigt, ohne etwas von ihrem Gewerbe zu ahnen.
Er war ein komischer kleiner Kauz mit rundem Schädel, graumeliertem Haar und einem Wollschal, obwohl das Wetter ziemlich schön und warm war. Teure Kleidung, dachte sie, als sie ihn mit fachmännischem Blick musterte, aber natürlich grauenvoll altmodisch. Er gehörte zu der Sorte, die ihr Kleingeld in eine Geldbörse steckten. Sie entwirrten ihre Einkaufswagen. Seiner war schon halbvoll.
»Ihre Frau muß Ihnen eine lange Liste mitgegeben haben.«
»Nein... das heißt...«, stammelte er und warf ihr einen kurzen Blick zu, ehe er wieder auf die Regale starrte. »Meine Tochter stellt die Einkaufsliste zusammen ... ich bin Witwer.«
Barbara schob ihren Wagen weiter und sagte: »Oh, wie gedankenlos von mir... ich wußte ja nicht.« Jetzt blieb sie stehen und sah ihm ins Gesicht. »Es tut mir wirklich leid.«
Sie gingen zusammen Tee trinken in ein Cafe gegenüber dem Odeon. Barbara entschuldigte sich, sobald sie einen Tisch gefunden hatten, und zog sich zu den Toiletten zurück, um ihre falschen Wimpern nachzutuschen, den Lippenstift zu erneuern und noch ein wenig Duft aufzulegen. Sie trafen sich noch einmal zum gemeinsamen Tee, dann zum Dinner in einem Hotel am Themse-Ufer bei Marlow. Sie fuhren in seinem wundervollen alten Jaguar mit den Ledersitzen. Im Restaurant standen Kerzen auf den Tischen, und Blüten schwammen in gläsernen Schüsseln. Barbara war daran gewöhnt, in verschwiegenen, kleinen Kneipen zu essen, aber diesmal saß ihr kein Mann gegenüber, der ständig über die Schulter spähen mußte. Er
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