Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
anschließend über sein Gespräch mit Mrs. Lyddiard referiert und seine Theorie erläutert, daß Hadleigh höchstpersönlich die Blondine in Schwarz gewesen sei. Letztere These war mit einer Mischung aus Skepsis und höflicher Ungläubigkeit aufgenommen worden. Und während Barnaby seinen Leuten die psychischen Merkmale des Transvestitismus auseinandergesetzt hatte, waren ihm plötzlich selbst Zweifel an seiner kühnen Idee gekommen.
Irgendwann fiel Barnaby schließlich in einen unruhigen Schlaf. Stunden später wachte er mit einem völlig tauben linken Arm von einem penetrant klingelnden Telefon auf. Minuten später erfuhr er, daß man Max Jennings gefunden hatte.
* LIAMS GESCHICHTE
Letztendlich hatte ein glücklicher Zufall den Ausschlag gegeben. Ein Streifenpolizist auf einem Motorrad, selbst leidenschaftlicher Bewunderer alter Mercedes Benz Modelle und stolzer Eigentümer eines 230 TE, hatte der Fahndungsmeldung von Anfang an besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Während er an einer Ampel in St. Just gewartet hatte, war ihm der Wagen auf der entgegenkommenden Fahrspur sofort aufgefallen. Ein Paar befand sich im Wageninneren, der Mann saß am Steuer.
Daraufhin nahm der Polizist diskret die Verfolgung auf. Der Mercedes fuhr durch die Ortschaft hindurch und bog dann auf die Straße nach Botallack ein. Der Polizist wollte gerade über Funk seinen Standort an die Zentrale durchgeben, als der Wagen plötzlich nach links einschwenkte und in einer schmalen Zufahrt verschwand. Mit abgestelltem Motor rollte der Polizeibeamte auf seinem Motorrad hinterher.
Schließlich entdeckte er den Mercedes vor einem kleinen Cottage direkt am Strand. Seine Insassen luden gerade Kartons mit Lebensmitteln aus dem Kofferraum. Ein scharfer Wind riß am Kopftuch der Frau.
Max Jennings war völlig verdattert und ausgesprochen ärgerlich, als ihm der Polizist eröffnete, er müsse zu einer polizeilichen Vernehmung in seinen Heimatlandkreis zurückkehren.
»Ich hätte meine Aussage doch genausogut auf dem Revier in St. Just machen können«, erklärte Jennings jetzt gereizt im Vernehmungszimmer der Kripo von Causton. »Außerdem gibt es ja auch Telefone. Ein Telefongespräch hätte doch wohl genügt.«
»Leider nicht, Mr. Jennings«, entgegnete Chefinspektor Barnaby. »Die Fäden laufen hier zusammen.«
»Ich kann's noch immer nicht fassen. Einfach entsetzlich.« Jennings griff nach dem Plastikbecher mit Kaffee, nahm einen Schluck und verzog angewidert den Mund. Er holte tief Luft, so als wolle er etwas sagen, schüttelte den Kopf, zögerte und wiederholte sich dann:
»Entsetzlich, mein Gott! Was für ein schrecklicher Tod!«
»Und Sie haben bis heute nichts von der ganzen Sache gewußt?«
»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Das kleine Landhaus hat weder Telefon, Radio noch Fernsehen. Es ist sehr einfach.«
»Aber Sie haben doch sicher in Ihrem Wagen ein Autoradio.«
»Wir haben den Wagen heute zum erstenmal benutzt. Wir hatten alle Lebensmittel, die wir brauchten, mitgebracht. Erst heute morgen sind uns Brot und Milch ausgegangen.«
Jennings wußte auf alles eine plausible Antwort. Allerdings hatte er während der sechsstündigen Autofahrt auch viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Trotzdem waren alle seine Angaben durchaus nachvollziehbar. Das mußte Barnaby ihm lassen. Angenommen, er hatte Cornwall noch vor dem Abend nach dem Mord erreicht und seither keine Zeitung gelesen, konnte seine Überraschung durchaus echt sein. Es sei denn natürlich, er war schuldig. In diesem Fall hatte er noch länger Zeit gehabt, sein Alibi zu planen.
Jennings klappte ein elegantes Lederetui auf und nahm einen Zigarillo heraus. Als Barnaby nur stumm auf das Schild mit dem Rauchverbotszeichen deutete, steckte er Etui und Zigarillo wortlos wieder ein. Troy war von Etui und Zigarillos schwer beeindruckt. Was er von Jennings Reisebegleiterin nicht gerade behaupten konnte, die währenddessen im Vorzimmer hockte und nervös ihr Taschentuch knetete. Die Dame hatte glattes braunes Haar, trug einen uneleganten Kamelhaarmantel und kaum Make-up. Nicht gerade die Gefährtin, die man an der Seite eines berühmten Schriftstellers erwartete. Das beste, was sich noch von ihr sagen ließ, war, daß sie nicht Barbara, sondern Lindsay hieß.
»Also ... was wollen Sie eigentlich von mir?« Max Jennings warf einen ungeduldigen Blick auf seine Uhr, die ebenso teuer und schick war wie die restliche
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