Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
Tür.
Er schnappte ihn sich, drängte sich, so gut es ging, unter den schmalen Dachvorsprung und riß ihn auf. Die Nachricht auf dem Zettel war kurz. Seine Frau wollte in Zukunft nur noch über ihren Anwalt mit ihm sprechen. Eine entsprechende Adresse und Telefonnummer waren angegeben. Amanda, so hieß es, würde zumindest die nächsten Tage bei ihren Großeltern verbringen.
Brian platschte über die feuchte, morastige Wiese zum Fenster zurück und pochte ein drittes Mal an der Scheibe. Aber Sue, die den Blick stur auf einen Punkt über seinem Kopf fixiert hatte, zog bereits die Vorhänge zu.
»Wie fühlst du dich?«
»Okay.«
»Wirklich?«
»Ja.«
»Du zitterst aber.«
»Nur äußerlich.«
»Kann ich dir irgend etwas Gutes tun?«
»Mit mir ist alles in Ordnung. Wirklich, Amy.«
Sue wandte sich vom Fenster ab, nachdem die Vorhänge vorgezogen waren. Amy erhob sich von einem der alten Sitzpolster, die in einem Alkoven standen. Dort hatte sie sich verborgen gehalten, seit Brian versucht hatte, seinen Schlüssel ins brandneue Schloß zu stecken.
Amy merkte, daß sie noch immer die Hände ineinander verknotet hatte, löste sie und dehnte die Finger. Dann sah sie besorgt zu Sue hinüber, die sehr aufrecht, mit gestrafften Schultern bewegungslos im Zimmer stand.
»Meinst du, er versucht's an der Hintertür?«
»Vielleicht. Aber sie ist verriegelt.« Sues Stimme klang heiser.
»Und was ist mit den Fenstern?«
»Verschlossen. Alle.« Sie ließ einen seltsamen Laut hören, der wie ein Husten klang. »Keine Sorge. Er kann nicht rein.«
»Ich mache mir keine Sorgen.« Was nicht ganz stimmte. Allerdings war Amy inzwischen weit weniger besorgt als noch eine Stunde zuvor. Sue hatte sie angerufen und gebeten, sofort zu ihr zu kommen. Honoria hatte den Anruf entgegengenommen und war angesichts von Sues kompromißloser, dringlicher Bitte so perplex gewesen, daß sie die Nachricht kommentarlos weitergegeben hatte. Woraufhin Amy das Haus umgehend verlassen hatte.
Bei ihrer Ankunft hatte Amy die Freundin im Vorgarten angetroffen, wie sie gerade Hemden und Pyjamas auf den Rasen pfefferte. Amy war ihr ins Haus gefolgt und dabei mehrfach über Gegenstände und Kleidungsstücke gestolpert, die überall verstreut herumlagen.
»Was um Himmels willen ist denn hier los?« hatte sie atemlos gefragt, sobald die Tür hinter ihr geschlossen worden war. »Was ist passiert?«
Sue atmete schwer. Sie streckte die Arme aus, so als wolle sie sich selbst überzeugen, daß sie leer waren. »Alles weg!«
»Warum liegen die vielen Sachen da draußen?« Amy versuchte, Sues Hand zu nehmen, doch die Freundin entzog sie ihr. »Bitte, Sue! Nun sag doch was!«
»Ich hab die Schlösser auswechseln lassen. Von einem Mann aus Lacey Green.« Sue sah sich prüfend um, so als mache sie stumm eine Art Bestandsaufnahme. Amy folgte ihrem Blick. Es kam ihr so vor, als fehlten einige Dinge.
»Natürlich ist das nur vorübergehend. Mein Anwalt hat mir das schon gesagt. Die Dinge müssen geregelt werden. Aber ich habe ein Recht dazu, hat er behauptet. Und warum nicht? Ich hab's verdient. Ich hab's verdient. Sie sind bestimmt bei seiner Mutter. Mal sehen, wie ihr das schmeckt. Sie wird um sie rumschwirren wie die Biene um den Honig. Vergöttert sie! Die können nie was falsch machen. Mal sehen, wie ihr das schmeckt... Mal sehen, wie sie ...«
»Sue!« Amy packte die Freundin bei den Schultern. »Du hast mich hergerufen. Jetzt bin ich da.«
»Amy...»
»Ist ja schon gut.« Sie gab Sue einen Kuß auf die eiskalte Wange und fühlte, wie ihre Gesichtsmuskeln zuckten. Sue wand sich gleichgültig aus Amys Umarmung, so als habe sie sich damit abgefunden, keinen Trost finden zu können. »Erzähl mir alles!« bat Amy erneut.
Und Sue erzählte es ihr. Amy hörte zu. Ihre Augen wurden groß und rund. Sie war fassungslos.
»Am Bekanntmachungsbrett der Gemeinde?«
»Ja.«
»Aber ... wer hat sie dort denn aufgehängt?«
»Weiß der Himmel! Ich hab sie auf dem Weg zur Spielgruppe entdeckt.«
»Wo sind sie jetzt?«
»Habe ich doch gesagt.« Sue wurde ungeduldig. »Am Schwarzen Brett.«
»Was ... immer noch?«
»Ja.«
»Du hast sie dort hängen lassen?«
»Ja.«
»Den ganzen Tag?«
»Ja.«
»Aaaaaa ...« Amy schlug die Hand vor den Mund und wußte selbst nicht, was sie unterdrücken wollte. Einen
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