Inspector Barnaby 04 - Blutige Anfänger
politischen Einstellung.
Sue beobachtete beklommen, wie sich ihr Mann beleidigt in seinen Schmollwinkel zurückzog.
Auf diese Art und Weise ging die Diskussion endlos weiter, bis man sich schließlich so lange im Kreis gedreht hatte, daß der Name Max Jennings erneut fiel.
»Ich habe das Gefühl, daß wir bei ihm eine Chance haben«, erklärte Amy. »Schließlich wohnt er ganz in der Nähe. Außerdem ist er nicht so wahnsinnig berühmt.«
»Was zum Teufel soll das denn heißen?« erkundigte sich Honoria.
»Amy meint vermutlich, daß er noch nicht restlos abgehoben ist«, sprang Sue der Freundin zur Seite.
»Ich jedenfalls habe nie von ihm gehört«, warf Brian ein und trommelte mit den Fingern auf die Stuhllehne. Für die Reichen und Berühmten dieser Welt hatte er nur Verachtung übrig. Weshalb also sollte er den weniger Reichen und weniger Berühmten die Füße küssen? Ihm konnten sie alle gestohlen bleiben.
»Ich habe mal ein Radiointerview mit ihm gehört«, berichtete Amy. »Er klang sympathisch.« Zu spät fiel ihr ein, daß Honoria stets verlangte, daß sie >Rundfunk< sagte. »Ich finde jedenfalls, er ist einen Versuch wert.«
»Ich kann diese affigen Pseudonyme nicht leiden. Gehe jede Wette ein, daß er in Wirklichkeit Bert Bloggs heißt.«
»Ich habe seinen ersten Roman gelesen. Far Away Hills. Er stammt aus einer armen Familie von den Äußeren Hebriden. Sein Vater war ein schrecklich brutaler Kerl. Hat die Mutter in den Selbstmord getrieben, als der Junge noch klein war.«
»Ach, tatsächlich?« Brians Miene hellte sich etwas auf. »Versuchen können wir's ja. Es fällt uns sowieso kein anderer ein.«
»Wie wär's denn mit Alan Bennett?«
Brian schnaubte verächtlich. Alan Bennett war für ihn erledigt. Die Zeiten, in denen er seinem großen Vorbild nacheifernd mit einem Kassettenrecorder vor dem Dorfladen und der Kneipe versucht hatte, das facettenreiche, komplizierte Innenleben der Dorfbewohner für die Menschheit im Originalton festzuhalten, waren vorbei. Sein Enthusiasmus hatte ein jähes Ende gefunden, als ein besoffener Dorfbewohner ihn als >Scheißhaus-Reporter< beschimpft und mit einem Faustschlag niedergestreckt hatte.
»Ich dachte, den heben wir uns nur für den absoluten Notfall auf«, bemerkte Laura.
»Stimmen wir doch einfach ab«, schlug Rex vor. »Wer ist für Jennings?« Er hielt die Hand hoch ... Die anderen folgten seinem Beispiel; Honoria als letzte. »Gerald?«
Gerald hatte sich in seiner noch immer feuchten Hose wieder dem Ofen zugewandt. Er sah über die Schulter auf die sechs erhobenen Hände. Seine Stimme konnte am Ergebnis nichts mehr ändern. Trotzdem war er nicht bereit, sich kampflos geschlagen zu geben.
»Schätze, wir können uns die Mühe sparen«, orakelte er und wunderte sich selbst über den unbeteiligten Ton seiner Stimme und seine äußere Gelassenheit, die in krassem Gegensatz zu seinen Gefühlen stand.
»Tut mir leid, Gerald. Sie sind überstimmt.« Brian setzte bereits seinen Strickhut auf.
»Und wenn schon.« (Er konnte einfach nicht aufgeben.) »Ich glaube nicht, daß es Sinn macht...«
»Wenn Sie nicht schreiben wollen, mach' ich's eben«, ergriff Brian die Initiative. »Am besten über den Verlag. Ich könnte auch einfach anrufen...«
»Unsinn! Ich bin der Schriftführer. Es ist meine Aufgabe.« Gerald hatte das Gefühl, daß er das Heft nicht aus der Hand geben durfte, wenn er die Kontrolle behalten wollte. Gerald stand auf. Die Geste war ein Zeichen für den allgemeinen Aufbruch. Er fing Lauras verstohlenen Blick auf und brachte ein schwaches Lächeln zustande.
In der folgenden Nacht machte Gerald kein Auge zu. Die erste Stunde verharrte er bewegungslos, in Erinnerungen gefangen, an seinem Schreibtisch. Sein Kopf fühlte sich an, als stecke er in einem Schraubstock. Die Vorstellung, diesen Mann wiederzusehen! Max! Max, der ihm das Kostbarste geraubt hatte. Der Gedanke, ihn begrüßen und stundenlange Selbstbeweihräucherung über sich ergehen lassen zu müssen, war unerträglich. Gerald wußte, daß er das nicht durchstehen würde. Punkt drei Uhr morgens begann er rastlos zu schreiben. Um sechs Uhr morgens war er völlig ausgelaugt, und der Papierkorb quoll über, aber der Brief war fertig. Eine DIN-A4-Seite lang. Jedes Wort saß. Es war unmöglich, Max offen zu bitten, nicht zu erscheinen. Selbst damals ... selbst im Augenblick des größten Verrats ...
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