Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
kochte Tee und ging damit nach draußen. Barnaby hatte den Garten von Fainlights als zu streng empfunden. Doch es war dieses nüchtern Formale, das Louise ansprach. Alle Linien waren gerade, die niedrigen Eibenhecken, die als Abgrenzung dienten, standen exakt im rechten Winkel zueinander, Sträucher hatten durch kunstvolles Schneiden Formen von kühler Eleganz angenommen. Die dunkle Wasseroberfläche des Teiches war vollkommen glatt. Selbst das Rumpeln und Dröhnen des nahenden städtischen Müllwagens konnte dieser friedlichen Szenerie nichts anhaben.
Louise schlenderte ziellos umher, trank ihren Tee, blieb stehen, um die hübsche Skulptur eines Hasen zu bewundern und ihm über die Ohren zu streicheln oder um ein duftendes Blatt zwischen den Fingern zu zerreiben. Als sie zu der hinteren Mauer kam, bemerkte sie, dass der Schlüssel nicht in der Gartentür steckte. Es war ein großer Metallschlüssel, der nie herausgezogen wurde. Wegen eventueller Eindringlinge war die Tür aber immer abgeschlossen. Val war der Meinung, es könne ohnehin nur jemand an den Schlüssel herankommen, der bereits im Garten war, und wenn Louise anfinge, ihn an einem sicheren Ort aufzubewahren, wäre er bestimmt bald verschwunden.
Louise drückte die Klinke und trat auf einen schmalen Grasstreifen, der an einen Graben grenzte. Auf der anderen Seite des Grabens erstreckte sich bis zur Hauptstraße ein von Hecken gesäumtes Stoppelfeld. Der Schlüssel steckte auch nicht auf dieser Seite. Sie würde nach dem Frühstück danach suchen, und wenn sie ihn nicht fand, würde sie in Causton ein Vorhängeschloss kaufen.
Sie schlenderte quer durch den Garten zur Garage hinüber. Sämtliche Fahrräder waren da, aber der Alvis nicht. Dann stellte Louise überrascht fest, dass er auf der Straße stand, dicht am Bordstein geparkt. Der Müllwagen hielt an. Ein Mann rollte die Mülltonne der Fainlights zum Wagen und hängte sie an die Hebevorrichtung. Mit einem lauten Knall wurde die Tonne geleert, dann landete sie unsanft wieder auf dem Pflaster. Louise schob sie in die Garage.
Sie kehrte ins Haus zurück und rief den Namen ihres Bruders. Als sie keine Antwort erhielt, ging sie in sein Zimmer. Val saß auf einem niedrigen Stuhl ganz nah am Fenster, von wo aus er die Dorfstraße und die Einfahrt zum alten Pfarrhaus überblicken konnte. Auf seinen Knien lag ein Feldstecher, der aus der Zeit stammte, als er ein leidenschaftlicher Vogelbeobachter gewesen war. Seine Finger hielten den Lederriemen so fest umklammert, dass es aussah, als würden die weißen Knöchel jeden Augenblick die Haut durchdringen. Seine Autoschlüssel lagen neben ihm auf dem Boden.
»Val?« Seine völlige Regungslosigkeit machte ihr Angst. »Was hast du? Was ist los?«
Es schien, als hatte er sie nicht gehört. Er drehte noch nicht mal den Kopf, schwankte nur leicht hin und her, als ob er einzuschlafen drohte, dann richtete er sich ruckartig wieder auf. Er trug immer noch die Sachen von gestern.
»Warst du die ganze Nacht hier?«
»Nichts.«
Louise starrte ihn verständnislos an; dann wurde ihr klar, dass er ihre erste Frage beantwortet hatte.
»Geht's dir nicht gut? Val?« Sie legte eine Hand auf seinen Arm und zog sie sofort wieder zurück. Sein Arm fühlte sich kalt und hart wie Stein an. »Du bist ja völlig durchgefroren. Ich hol dir was Warmes zu trinken.«
»Mir geht's gut.«
»Wie lange sitzt du denn schon hier?«
»Bitte geh, Lou. Nein, warte! Ich muss pinkeln.« Er drückte ihr das Fernglas in die Hand. Im Weggehen rief er ihr zu: »Lass das Haus keine Sekunde aus den Augen.«
Louise wartete. Sie beobachtete kein Haus, weder mit noch ohne Fernglas. Als er zurückkam, ließ er sie erneut links liegen und starrte mit zusammengekniffenen Augen fieberhaft durch die Linsen.
Louise wartete einige Sekunden. Sie spürte, dass er sie vergessen hatte, und wusste nicht so recht, was sie als Nächstes tun sollte. Eine Tasse Tee zu machen, das universale englische Heilmittel gegen alles von Kopfschmerzen bis zu Feuer, Überschwemmung und Pestilenz, schien eine ziemlich sinnlose Geste. Aber er war doch so eisig kalt. Und es war besser, als dumm rumzustehen. Doch als sie gerade gehen wollte, fing Val an zu sprechen.
»Ich komme zurecht... das heißt, solange ich ... ich^oww schon zurecht ... ich werde es schaffen ... damit fertigwerden ... ich muss nur ... dann ... sag mir ... frag ihn ... frag ihn ... quälend ...
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