Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
Zimmer, nickte ihr schweigend zu und ließ sich in einen Sessel aus dunkelrotem Samt fallen, der wie eine große Muschel geformt war.
Louise war mittlerweile daran gewöhnt, dass er mit einem Ausdruck aus Freude und Schmerz aus der Garagenwohnung zurückkehrte und sich bewegte, als wäre die Hälfte seiner Knochen durch die Mangel gedreht worden. Es war eine Erleichterung festzustellen, dass er ziemlich normal aussah. Oder so normal, wie er derzeit eben aussah.
»Wie steht's denn da drüben?«
»Jax ist vorübergehend ins Pfarrhaus gezogen.« Die Enttäuschung war groß gewesen. Er hatte den Jungen noch nicht einmal berühren können. »Er kümmert sich um Lionel.«
Louise wurde von einer bösen Vorahnung ergriffen. Sie wusste, dass sie an dieser Stelle aufhören, einfach »Wie nett« sagen und nicht weiter nachhaken sollte. Aber eine furchtbare Neugier bemächtigte sich ihrer. Sie musste einfach wissen, weshalb Lionel seine Frau nicht besucht, ja sich noch nicht einmal mit dem Krankenhaus in Verbindung gesetzt hatte.
»Er muss ziemlich mitgenommen sein. Lionel, meine ich.«
»Völlig fertig, der arme Kerl. Er weiß nicht, wo vorn und hinten ist.«
»Ist er bei ihr gewesen?«
»Oh, ja. Sie sind heute morgen hingefahren.«
»Sie?«
»Was meinst du damit?«
»Entschuldige. Ich dachte nur ... wo es Ann so ... normalerweise immer nur ein Besucher ...«
Während ihre Zunge sich mit den Worten abmühte, begann Louises Herz ein wenig schneller zu schlagen. Indem sie eine Frage stellte, auf die sie die Antwort bereits kannte, hatte sie den Schritt von Offenheit zu Verstellung getan. Sie starrte ihren Bruder bestürzt an. Diese Art Spiele hatten sie noch nie gespielt. Er starrte zurück, zunächst fragend und dann zunehmend misstrauisch.
»Irgendwer muss Lionel schließlich fahren. Das hab ich mit >sie< gemeint.«
»Ach so. Tut mir Leid. Ich hab nicht nachgedacht.«
»Was soll das Ganze?«
»Nichts. Über irgendwas muss man ja schließlich reden.«
»Da steckt doch mehr dahinter.«
Gleich würde er wütend werden. Louise überlegte, wie sie sich am besten aus dieser Situation herauswinden könnte. Vielleicht sollte sie sagen, sie wäre müde und wollte ins Bett, und er würde einfach mit den Achseln zucken, und die Sache wäre erledigt. Mit dem alten Val wäre das kein Problem gewesen. Aber dieser neue, dünnhäutige Val war so impulsiv, schlug bei jeder tatsächlichen oder eingebildeten Kränkung blindwütig zu. Und in diesem Fall hatte er Recht. Sie war nicht ehrlich zu ihm, und das Misstrauen war berechtigt. Wäre es nicht besser, ihm einfach die Wahrheit zu sagen?
»Ich bin heute bei Ann gewesen.«
»Was?«
»Gegen Mittag.«
»Warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Ich konnte nicht. Es war so furchtbar, Val. Lauter Maschinen und Infusionsschläuche ... und die arme Ann lag da wie tot.«
»O Gott, Lou.«
»Sie stirbt, das weiß ich.« Louise brach in Tränen aus. Val kletterte aus dem Sessel und legte die Arme um sie, wie er es getan hatte, als sie noch ein kleines Mädchen war. Einen Augenblick gab sich Louise der tröstlichen Illusion hin, dass alles wieder so war, wie es sein sollte. Doch dann trieb sie das Verlangen nach Aufrichtigkeit, der Wunsch, dass es zwischen ihnen keine Geheimnisse geben sollte, dazu weiterzureden.
»Die haben mir gesagt...« Sie weinte so heftig, dass sie kaum sprechen konnte. »Er hat sie kein einziges Mal besucht...«
»Wer?«
»Lionel.«
»Das ist doch lächerlich.«
»Er hat noch nicht mal angerufen.«
»Du hast mit der falschen Person geredet. In diesen großen Krankenhäusern sitzt ständig jemand anders am Empfang.«
»Es war die Schwester in der Intensivstation.«
In dem Moment zog sich Val zurück. Zuerst körperlich. Das warme muskulöse Fleisch seiner Arme verhärtete sich so sehr, bis Louise das Gefühl hatte, sie würde von zwei gebogenen Holzbrettern umarmt. Dann entzog er sich auch emotional.
»Ich dachte, du hättest damit aufgehört.« Vals Stimme klang kalt. Er stand auf und kehrte ihr den Rücken.
»Val - geh nicht!«
»Ich dachte, du hättest dich geändert. Hättest angefangen zu verstehen.«
»Das tue ich doch«, rief Louise verzweifelt.
»Gerade hast du ihn einen Lügner genannt.« Er sah sie mit unbeschreiblicher Distanziertheit an, aber nicht völlig ohne Mitgefühl. »Ich habe
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