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Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Titel: Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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vorausgesetzt es gelang ihm, nur oberflächlich zu atmen. Er genoss es stets, neue Informationen an Land zu ziehen.
      Troy kramte sein Notizbuch hervor und versuchte sich ebenfalls in seinem Sessel zu entspannen. Da ihn eine Feder in den Hintern piekste, war das nicht so einfach. Immer noch sauer, weil er nicht rauchen durfte, nahm er seinen Kuli und begann, ihn an und aus zu knipsen, was Barnaby ziemlich nervte.
      »Bei einigen von den jungen Leuten, die da gesessen haben, wo Sie jetzt sitzen, Inspector«, begann Miss Calthrop, »war es nicht so sehr erstaunlich, dass sie zu Kriminellen herangewachsen sind, sondern dass sie es überhaupt geschafft haben heranzuwachsen. Wenn man ihre Akten liest und die Armut, die Grausamkeit und den absoluten Mangel an Liebe begreift, der von Geburt an ihr Schicksal war, dann möchte man glatt an der menschlichen Natur verzweifeln.«
      Barnaby zweifelte keine Sekunde an dem, was Miss Calthrop sagte. Auch er hatte schon einige entsetzliche Geschichten gehört, wenn der Lebenslauf eines Angeklagten vor Gericht verlesen wurde. Doch obwohl er durchaus mitlitt, zwang er sich jedesmal wieder, emotional Abstand zu halten. Schließlich war es nicht sein Job, einer kaputten Persönlichkeit zu helfen. Das war Aufgabe der Sozialarbeiter, Bewährungshelfer und Gefängnispsychologen. Und er beneidete sie nicht darum.
      »Doch Carlotta Ryan«, fuhr Vivienne Calthrop fort, »hat eine solche Entschuldigung nicht. Sie stammt aus einer recht wohlhabenden Mittelschichtfamilie, und soweit ich weiß, hatte sie eine halbwegs glückliche Kindheit, bis ihre Eltern sich trennten, als sie dreizehn war. Ihre Mutter heiratete wieder, und Carlotta lebte eine Weile bei ihnen, war aber sehr unglücklich und lief mehr als einmal weg. Natürlich fragt man sich da, ob der Mann sie missbraucht hat...«
      Natürlichdachte Barnaby Gott, in was für einer Welt leben wir.
      Troy war jetzt gelassener, wo er was zu tun hatte, und schrieb zufrieden vor sich hin. Außerdem hatte er auf dem Aktenschrank eine Amaretti-Keksdose entdeckt, und fragte sich, ob er nicht ein paar von den Keksen überreden könnte, in seine Richtung zu wandern.
      »Doch Carlotta hat mir versichert, dass das nicht der Fall war. Ihr Vater arbeitete damals in Beirut - nicht gerade der sicherste Ort, um ein Kind mitzunehmen -, doch sie beschloss, dass sie bei ihm sein wollte. Ihre Mutter war einverstanden, und weg war sie. Sie war sehr aufmüpfig, und wie sie sicher wissen, ist der Libanon kein Land, wo sich Frauen, selbst Ausländerinnen, so benehmen können wie hier.« Sie zog an ein paar krausen Haarfransen, die ihr wie rubinroter Seetang in die Stirn hingen. »Ihr Vater machte sich große Sorgen, dass sie in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnte, und beide Eltern beschlossen, dass es das Beste wäre, sie in ein Internat zu schicken.«
      »Wie alt war sie damals?«, fragte Barnaby
      »Ungefähr vierzehn. Carlotta wollte irgendwohin, wo man sich auf eine Ausbildung Richtung Theater konzentrierte, doch ihre Eltern befürchteten, dass das schulische Niveau dort nicht allzu hoch sein würde. Deshalb steckten sie sie in eine Schule in der Nähe von Ambleside.« Miss Calthrop hielt inne, um einen so unglaublich tiefen und intensiven Zug zu tun, dass sie vor Überraschung und Wohlgefallen fast die Augen verdrehte, als die Wirkung voll einschlug. In den fetten Wangen zeigten sich noch nicht mal Grübchen.
      »Warum Theater?«, fragte Troy, der tief mitatmete. »Wollte sie Schauspielerin werden oder so?«
      »Ja, das war ihr großer Wunsch. Ich hatte den Eindruck, wenn man sie gelassen hätte, wäre sie vielleicht nicht derart ausgeflippt.«
      Immer eine Entschuldigung zur Hand. Sergeant Troy schrieb flott alles mit. Dabei versuchte er so zu denken, wie er wusste, dass der Boss denken würde. Er stellte sich das Mädchen vor, wie es durch die Gegend stolzierte, sich herumstritt und versuchte, seinen Kopf durchzusetzen. Das, was seine Oma eine »richtige kleine Madame« genannt hätte.
      Doch diesmal lag er falsch. Trotz seiner guten Absichten hatte Barnaby nämlich ziemliche Mühe, sich auf das zu konzentrieren, was Vivienne Calthrop erzählte. Von der erstaunlichen Schönheit ihrer Stimme und ihrer außergewöhnlichen und exotischen Erscheinung verführt, hatte er angefangen, darüber zu spekulieren, auf welchen verschlungenen Pfaden sie wohl in diesem verkommenen Loch gelandet sein mochte.
      Er beobachtete, wie

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