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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Mann aus Barbados gemacht, etwas Sand untergemischt, und das war’s. Natürlich habe ich nicht die Zeit, irgendeinen der exotischen Orte aufzusuchen, über die ich schreibe, aber schließlich kann man sich einen langen, weißen Strand ebenso leicht vorstellen wie einen langen, weißen Flur. Im Augenblick arbeite ich an etwas ganz Neuem, der Heather-Quick-Serie – das ist der Name der Heldin. Ich habe nämlich gemerkt, wieviel weniger Arbeit ich habe, wenn ich die Heldin beibehalte und lediglich die Handlung verändere. Na ja, ein kleines bißchen. Meine Heldinnen sind zwar größtenteils austauschbar, aber so habe ich viel weniger Mühe mit dem ewigen Zurückblättern wegen Haarfarbe, Augenfarbe und so weiter. Eine neue Heldin bedeutet andere Bikinigrößen. Man braucht schon ein gutes Gedächtnis für nacktes Fleisch, aber ich habe ja meine Bedarfsliste, auf die ich im Zweifelsfall zurückgreifen kann. Und dann muß man sich auch noch jedesmal den ganzen langweiligen Background für sie ausdenken – Familie, Freunde, Herkunft, diesen ganzen Füllkram eben. Mit nur einer Heldin, die ich von Buch zu Buch beibehalte, muß ich mir bloß für jeden Roman irgendein furchtbares Problem ausdenken. Ich lasse sie in den Fens oder auf den Norfolk Broads oder in Romney Marsh wohnen – an irgendeinem Fleck jedenfalls, wo die Wahrscheinlichkeit, daß ein geheimnisvoller Fremder auftaucht, um das Zehnfache größer ist.» Sie starrte Jury über den Rand ihrer hellrot getönten Brille an und sagte: «Einer wie Sie, Superintendent. Ah! Wenn Sie nicht ein Held wie auf Bestellung sind! Warum setzen Sie sich nicht?»
    Jury lächelte als Antwort, schob eine Navajo-Decke beiseite, die über der Lehne eines alten, ledernen Ohrensessels lag, warf das Kerngehäuse eines Apfels in den Kohlenkasten (der schon davon überquoll) und nahm Platz. Ehe der Redeschwall wieder über ihn hereinbrechen konnte, sagte er: «Was ist mit Simon Lean?»
    Ein gespannter Flitzebogen hätte nicht rascher zurückschnellen können. Bei der Frage schwieg sie unvermittelt, schwiegen sie alle – Joanna, Ramona, Robin, Victoria, Damson und Heather, schwiegen wie ein Grab. «Oh. Oh», war alles, was sie herausbrachte, während sie sich unsicher im Zimmer umsah, das eben noch eine Pirandello-Besetzung beherbergt hatte und nun ungemütlich und leer wirkte. «Absolut furchtbar», fügte sie hinzu und schob eine lose Haarsträhne in den Knoten zurück.
    «Haben Sie ihn gut gekannt?» fragte Jury und stützte sein Gesicht in die Hände. Er wirkte entspannt, beinahe schläfrig.
    «Simon? Also, nein. Nein, natürlich nicht –»
    «Jedoch gut genug, um ihn beim Vornamen zu nennen.» Jury lächelte, als wollte er sagen, nichts für ungut.
    Jetzt nestelte sie schon wieder eifrig an ihren Haaren, und die Blätter auf ihrem Schoß rutschten zu Boden. Melrose griff zu und hob sie auf, und sie murmelte ein Dankeschön. «Na ja, das kommt wohl daher, daß jeder seinen Namen im Munde führt; ich meine, ich habe den Mann so gut wie gar nicht gekannt.»
    Jury lächelte immer breiter. «Komisch, jeder mit dem ich gesprochen habe, hat ihn anscheinend nur ganz flüchtig gekannt. Außer Miss Demorney.»
    Ihre Miene veränderte sich, doch sie sagte nichts. «Es liegt daran, daß Watermeadows nicht richtig zu Long Piddleton gehört. Aus welchem Grund sollten sie auch hierherkommen? Was mich betrifft, so bin ich an meine Schreibmaschine gekettet. Gelegentlich ein Drink in der ‹Hammerschmiede›, ansonsten komme ich nicht unter die Leute.» Bei der Erwähnung von Leuten und gesellschaftlichem Leben schien ihr etwas einzufallen, denn sie sagte: «Wir könnten wohl alle einen Sherry vertragen.» Ohne die Antwort abzuwarten, ging sie zu einer Vitrine hinüber und kam mit einer Karaffe und drei Gläsern zurück.
    «Denken Sie sich etwas aus, Miss Lewes.»
    Sie kräuselte die Stirn und blickte vom Einschenken auf. «Wie bitte?»
    «Sie mit Ihrer ganzen Phantasie können doch einfach eine Geschichte erfinden, in der eine Leiche in einem Schrankkoffer oder einem Wandschrank oder, natürlich, in einem Klappsekretär gefunden wird.»
    Das schien sie gegen ihren Willen zu faszinieren, denn sie stand da, die Karaffe in der Hand, und vergaß, die Gläser zu füllen. «Etwas von Ramona, Robin, Victoria oder Damson Duke?»
    «Oh, mir wäre Heather Quick als Heldin am liebsten.»
    «Heather, wie sie eine Leiche entdeckt.» Sie ließ sich in ihren Sessel fallen, balancierte die Karaffe auf einem Knie,

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