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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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über die Weihnachtsgans gesprochen.»
    Plants Köchin hatte schon ein- oder zweimal angedeutet, sie werde kündigen, falls Lady Ardry noch einmal ihre Küche betreten sollte. Aber natürlich würde Martha nichts dergleichen tun. Sie und Ruthven standen schon so lange in den Diensten der Earls of Caverness, daß sie gar nicht mehr wegzudenken waren. «Martha mag es nicht, wenn du in ihre Küche kommst.» Er leerte sein Bierglas. «Außerdem weiß ich nicht, was es da zu besprechen gab. Dieses Jahr fällt der Gänsebraten aus.»
    Als sei dies plötzlich der Stein des Anstoßes, ließ Agatha sich erstaunt zurücksinken. «Red keinen Unsinn. Wir haben immer Gänsebraten zu Weihnachten.»
    «Die Zeiten sind hart. Diesmal müssen wir uns mit Rinderhaxe, kalten Kartoffeln und Armen Rittern begnügen.»
    «Aus welchem Dickens-Roman haben Sie denn diese köstliche Mahlzeit?» fragte Trueblood. «Aus dem Raritätenladen ?»
    Melrose schaute in die Runde und dachte, daß er seinen Raritätenladen nicht erst bei Dickens zu suchen brauchte. «Du hast mir immer noch nicht erklärt, wie du von dieser Reise erfahren hast.»
    «Von Ruthven. Der Mann konnte mich noch nie leiden. Als ich in die Küche gehen wollte, habe ich ganz zufällig gehört, wie er mit Martha darüber sprach.»
    Agatha hätte sogar an der Tür eines Affenkäfigs gelauscht, wenn sie sich davon etwas versprochen hätte. «Ruthven kommt auch mit», sagte Melrose.
    Würde sie jetzt einen Schlaganfall bekommen? Einen Schreikrampf? Oder würde es bei dem Sprühregen von Sherry bleiben, der aus ihrem Mund kam, als sie keuchte: « Ruthven! Plant, was zum Teufel …! Du mußt ihn hierlassen!»
    Melroses Butler hätte ebensogut ein überzähliges Gepäckstück sein können. «Nein, das kann ich nicht. Weißt du, es ist recht kompliziert. Martha will die Feiertage bei ihren Verwandten in Southend-on-sea verbringen. Er ist mit ihrer Familie nie besonders gut ausgekommen» – hier sah Melrose Vivian an, die eingehend ihre Hände betrachtete –, «aber weil er ein Gentleman ist, will er sich natürlich nicht rundheraus weigern, nach Southend zu fahren. Also sage ich einfach, ich brauche ihn.»
    «Aber du brauchst ihn nicht! Wofür brauchst du ihn denn?»
    «Er kann mein Badewasser einlassen.»
    «Dein Badewasser! Du entwickelst dich Tag für Tag mehr zu einem Snob, Plant.»
    «Warum machst du nicht selber eine kleine Reise?» schlug Melrose vor. «Fahr nach Milwaukee oder Virginia und besuch diese Biggets, mit denen du letztes Jahr Stratford-upon-Avon unsicher gemacht hast.»
    «Warum nicht, Agatha?» sagte Vivian, die aus ihren dumpfen Grübeleien über venezianische Kanäle und fette verwitwete Contessas aufgewacht war.
    «Ihr habt gut reden! Weihnachten einfach so abzuhauen!» Sie kramte in ihrer großen Handtasche, förderte ein Taschentuch zutage und preßte es gegen ihre Augen. «Und ich bleibe hier, allein und verlassen.» Sie funkelte Melrose böse an. «Wer wird mir meine Gans braten?»
    Der Letzte aus dem Geschlecht der Earls of Caverness richtete seinen Blick über ihren Kopf hinweg und lächelte, zu sehr Gentleman, um zu antworten.
     
     
    Zu Melroses Leidwesen lachte mal wieder seine Tante zuletzt. Bereits am nächsten Morgen stand sie wieder auf der Matte – oder saß, genauer gesagt, auf seinem Queen Anne-Sofa, trank Kaffee und eröffnete ihm, daß ihr schließlich doch noch eingefallen sei, warum ihr der Name bekannt vorkam.
    «Welcher Name? Wovon redest du?» fragte er mürrisch. Er war noch im Morgenmantel und in Pantoffeln und hatte sich auf eine geruhsame Frühstückslektüre der Times bei frischem Haferkuchen und Rosinenbrötchen gefreut, die jetzt nach und nach Agathas Heißhunger zum Opfer fielen.
    «St. Leger, mein lieber Plant. Ja, erinnerst du dich denn nicht?» Sie ließ ihrer Frage einen jener Blicke und traurigen Seufzer folgen, mit denen sie ihm stets zu verstehen gab, daß er langsam senil wurde. «Elizabeth St. Leger. Ich kenne sie ja eigentlich nur flüchtig, aber Robert, dein Onkel …»
    «Ich weiß, daß er mein Onkel war. Was haben die beiden miteinander zu tun?»
    «Robert war ein guter Freund von Lady St. Legers Mann – Rudy hieß er, glaub ich. Sicherlich hast du von ihm gehört? Er war ein ziemlich bekannter Künstler. Er ist tot. Jedenfalls hat Robert – du weißt ja, was für ein künstlerisch begabter Mensch er war –»
    «Nein, das ist mir vollkommen neu. Onkel Bob hat die meiste Zeit am Roulettetisch verbracht.» Und mit

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