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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Oberinspektor» gewesen. Und obgleich Melrose ihr mehr als einmal erzählt hatte, daß Jury jetzt Superintendent sei, kaufte sie ihm das nicht ab, weil sie von der Beförderung nicht persönlich unterrichtet worden war. Jury schüttelte ihr die Hand, und Agatha, die offenbar schon vergessen hatte, daß draußen im Schnee eine Tote lag, begann ihn den anderen vorzustellen.
    Bei Vivian Rivingtons Anblick leuchteten Jurys Augen auf. Vivian schenkte ihm ein so nervöses, gekünsteltes Lächeln, daß man hätte glauben können, sie habe etwas zu verbergen. Sie entfernte sich schnell wieder und trat hastig aus dem Feuerschein in einen dunkleren Winkel des Raums.
    Melrose beschloß, Agathas unaufhörlichem Geplapper ein Ende zu bereiten: «Sie sollten sich einmal anschauen, was da draußen im Schnee liegt, Superintendent.»
    Jury richtete sich auf, warf einen letzten Blick auf die Tote und klopfte den Schnee von seiner Hose. «Der Schuß kam aus einer Schrotflinte.» Er ließ den Strahl der Taschenlampe, die Marchbanks ihm besorgt hatte, über den Boden um die Leiche herumkreisen. «Schöne Sauerei.»
    «Tut mir leid, daß wir den Schnee zertrampelt haben. Wir wußten ja nicht, daß hier eine Leiche liegt.»
    «Ich mache Ihnen doch keine Vorwürfe. Wo mag nur die Waffe geblieben sein?» Er schien die Frage mehr in die Nacht hinein als an Melrose zu stellen.
    «Ich würde mal in Seainghams Gewehrständer nachsehen. Die Waffenkammer – dort bewahrt er seine gesamte Sportausrüstung auf – liegt dort drüben; es ist das erste Zimmer hinter der Galerie.» Er sah wieder auf die Leiche hinab. «Wie lange ist sie wohl schon tot?»
    Jury schüttelte den Kopf. «Noch nicht lange. Gesicht und Nacken sind trotz des Frostes noch nicht erstarrt. Eigentlich müßten aber Sie doch den Zeitpunkt des Todes besser abschätzen können.» Er knipste die Taschenlampe aus. «Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?»
    «Gegen neun. Tom und ich sind gleich nach dem Dinner aufgebrochen. Die anderen gingen alle in den Salon, um ihren Schlummertrunk zu nehmen.»
    Jury zuckte die Achseln. «Man kann wohl noch eine weitere Stunde dazurechnen. Ich denke, daß der Täter gewartet hat, bis die anderen ins Bett gegangen sind. Wahrscheinlich ist sie nicht länger als eine Stunde tot. Was wissen Sie über die Frau?»
    «Daß sie nicht sehr beliebt war.»
    «Das», sagte Jury, «ist mir auch schon aufgefallen.»
     
    Von Charles Seainghams Arbeitszimmer aus rief Jury das Northumbria-Revier an. Cullen hatte Nachtdienst und setzte zu einer bitteren Klage über eine Horde Rabauken an, die eben aus einem Pub im Einkaufszentrum Kleinholz gemacht hatten. Jury brachte ihm schonend bei, daß die Nacht für ihn noch nicht zu Ende war.
    «Herrgott! Passieren solche Sachen immer, wenn Sie irgendwo auftauchen?»
    « Ich habe sie nicht erschossen.»
    Einen Moment lang schien Cullen diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, aber dann sagte er: «Na schön. Ich benachrichtige Durham und sage, sie sollen ein paar Leute zu Ihnen rausschicken. Wahrscheinlich werden sie früher dasein als ich. Ist die verfluchte Straße zu diesem gottverlassenen Ort geräumt?»
    «Ja.»
    «Mist.» Cullen legte auf.
     
    Als Melrose erfuhr, daß sie auf Cullen warten mußten, runzelte er die Stirn. «Wieso? Wir haben doch einen ausgezeichneten Polizisten hier.»
    «Niemand hat mich um meine Hilfe gebeten», entgegnete Jury. «Wir warten auf Cullen. Und in der Zwischenzeit … wer von den Anwesenden ist Parmenger?»
    Melrose machte Jury mit Gastgebern und Gästen bekannt. Susan Assington versuchte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, indem sie sich so geschickt vor ihm aufbaute, daß ihm die Sicht auf die anderen versperrt war. Sie reichte ihm ein Glas Brandy. «Das können Sie jetzt brauchen», sagte sie und senkte dann ihre affektierte Kleinmädchenstimme zu einem kehligen Gurren. «Einfach grauenvoll, was hier geschehen ist.» Ein anmutiger Schauder überlief ihren Körper und ließ ihr dünnes Satinneglige noch ein Stück weiter über die Schultern hinabrutschen. Susan stand im vollen Schein des Feuers, an ebenjenem Platz, den Vivian vor kurzem geräumt hatte.
    Aber Jury lächelte ihr nur flüchtig zu, nahm weder ihr Negligé noch ihr schimmerndes Haar zur Kenntnis, sondern starrte auf Vivian, die ihrerseits betrübt an ihrem schäbigen Morgenrock hinunterschaute wie ein Kind, das in den Matsch gefallen ist.
    «Wie geht es Ihnen, Miss Rivington? Es ist lange her, seit wir uns das letzte

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