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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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warten darauf, daß ich mit meinem nächsten Buch eine Bauchlandung mache.» Er lehnte sich zurück und entspannte sich ein wenig. «Sie scheinen sich in der Literaturszene auszukennen, Superintendent. Seaingham hätte Sie zu seiner Party einladen sollen.»
    «Das hat er nun ja.» Jury lächelte. «Von Beatrice Sleights Arbeit halten Sie gewiß nicht sonderlich viel, habe ich recht?»
    «Ja.» MacQuade rieb ein Streichholz an, und im Licht der Flamme glühten seine dunklen Augen wie Kohlen. «Haben Sie schon mal etwas von ihrem billigen Geschmier gelesen? Jeder Schriftsteller, der etwas auf sich hält, hätte sie dafür niederschießen müssen – schon weil sie damit unseren Beruf verunglimpfte.»
    Clevere Antwort, dachte Jury. Er war erleichtert, daß MacQuades Verstand nun die Oberhand über sein etwas unreifes Benehmen gewann.
    «Aber», fuhr MacQuade fort, «wenn Bea Sleight ein Verhältnis mit Charlie hatte, dann wäre ich doch der letzte gewesen, der …» Er merkte, daß er zu weit gegangen war, und verstummte, um seine Gefühle gegenüber Grace Seaingham nicht zu verraten. Bill MacQuade konnte in so viele verschiedene Rollen schlüpfen, daß er für Jury schwer einzuschätzen war. Bemüht, wieder den Gleichgültigen zu spielen, fuhr er fort: «Und warum hätte ich sie auch umbringen sollen? Weil sie miese Groschenromane schrieb? Wohl kaum. Ich will Ihnen nichts vormachen, Superintendent. Ich könnte Ihnen aus dreißig Metern Entfernung das Auge ausschießen, und ich bin ein guter Skilangläufer. Ich habe mir dieses verdammte Buch hier nicht einfach aus den Fingern gesogen» – er gab dem Buch einen wütenden Stoß, daß es quer über den Tisch schlitterte und zu Boden fiel –, «und eine nächtliche Skifahrt nach Washington und wieder zurück wäre ein Kinderspiel für mich. Falls jemand diese Theorie verfolgt, komme also nur ich in Frage. Ich und vielleicht noch Tommy Whittaker – aber nicht einmal ein Dummkopf käme auf diesen Verdacht …» Er legte eine Pause ein, die Jury reichlich dramatisch vorkam. Es ging hier schließlich nicht darum, Leser bei der Stange zu halten. «… nein, nicht einmal der größte Dummkopf wäre so hirnverbrannt, den Jungen zu verdächtigen. Zudem hat seine Tante etwas gegen Schußwaffen – wahrscheinlich hat er noch nie ein Gewehr in der Hand gehabt.»
    «Wahrscheinlich», sagte Jury. «Wer hat Ihnen von Helen Minton erzählt?»
    «Parmenger.» Er blickte Jury an, und wieder verwandelte er sich in eine andere Person, vielleicht sogar in den echten MacQuade. «Ich habe ihren Namen vorher noch nie gehört.»
     
     
    Eine Weile später betrat Jury wieder das Arbeitszimmer, in dem Cullen gerade Sir George Assington vernahm, und setzte sich nach einem zustimmenden Nicken von Cullen auf einen Stuhl, der abseits an der Wand stand.
    Er hatte das Gefühl, in eine Theateraufführung geraten zu sein. Nicht, daß Cullen oder gar Trimm in irgendeiner Weise theatralisch agiert hätten. Aber Sir George liebte es, zu monologisieren. Er war offenbar nicht ganz frei von beruflich bedingter Eitelkeit, und sein ausführlicher Vortrag über Hämatologie und Blutgruppen wäre gewiß noch um einiges länger ausgefallen, wenn Trimm ihn nicht unsanft unterbrochen hätte. «Sie sind doch hier, um zu schießen, oder?»
    «Aber doch nur auf Fasanen und Rebhühner, nicht auf Menschen. Und falls Sie wissen wollen, ob ich mit einem Gewehr umgehen kann, so lautet die Antwort: Ja, Constable .» Sir George betonte das letzte Wort gerade genug, um Constable Trimm wissen zu lassen, daß Welten sie voneinander trennten.
    Cullen hielt es nun für geraten, selbst die Befragung zu übernehmen, und Trimm lehnte sich gegen den Bücherschrank. «Sie sind Mrs. Seainghams Arzt, ist das richtig?» Als Sir George nickte, fuhr Cullen fort: «Und was fehlt der Dame, wenn ich fragen darf?»
    «Sie dürfen nicht», sagte Sir George. «Über den Gesundheitszustand meiner Patienten diskutiere ich nicht mit Außenstehenden.»
    Jury sah zu, wie Cullen sich einen neuen Streifen Kaugummi in den Mund steckte und eine Engelsmiene aufsetzte. «Nicht einmal mit der Polizei?»
    «Wollen Sie meine Akten beschlagnahmen?» fragte Sir George scharf.
    «Nicht unbedingt. Ich meine, es wäre doch viel unkomplizierter, wenn Sie einfach meine Frage beantworteten.»
    Da war er bei Sir George an den Falschen geraten. «Sergeant, ich habe morgen eine wichtige Besprechung im Royal Hospital – besser gesagt, heute. Kann ich jetzt gehen? Oder

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