Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
hätten sie ihn gern ungespitzt in den Boden gerammt. Ancram schlug ihm besitzergreifend auf die Schulter.
»Inspector Rebus«, sagte er, »ich glaube, wir gehen jetzt besser.«
»Tun Sie mir einen Gefallen«, sagte Rebus.
»Welchen?« Sie saßen im Fond von Ancrams Wagen, fuhren zum Hotel, um Rebus' Auto zu holen.
»Einen kurzen Abstecher runter zu den Docks.« Ancram warf ihm einen Blick zu. »Warum?«
»Ich will sehen, wo sie gestorben ist.« Ancram sah ihn wieder an. »Wozu?«
Rebus zuckte die Achseln. »Um ihr die letzte Ehre zu erweisen.«
Ancram wusste nur ungefähr, wo man die Leiche gefunden hatte, aber sie brauchten nicht lange, um die grellfarbenen Kunststoffstreifen zu entdecken, mit denen die Polizei den Tatort abgesperrt hatte. Die Docks wirkten menschenleer, von der Kiste, in der die Leiche gelegen hatte, keine Spur. Die befand sich jetzt vermutlich in einem kriminaltechnischen Labor. Rebus blieb außerhalb der Absperrung stehen, sah sich um. Riesige weiße Möwen staksten in sicherer Entfernung auf und ab. Der Wind war frisch. Rebus hätte nicht sagen können, wie weit sie von der Stelle entfernt waren, an der Lumsden ihn abgesetzt hatte.
»Was wissen Sie über die Frau?«, fragte er Ancram, der, die Hände in den Taschen, reglos dastand und ihn beobachtete.
»Hieß Holden, glaub ich. Siebenundzwanzig, achtundzwanzig.«
»Hat er was von ihr mitgenommen?«
»Nur einen ihrer Schuhe. Hören Sie, Rebus... Ihr ganzes Interesse rührt nur daher, dass Sie einmal einer Prostituierten eine Tasse Tee spendiert haben?«
»Sie hieß Angie Riddell.« Rebus schwieg einen Moment. »Sie hatte schöne Augen.« Er starrte auf den Rumpf eines abgetakelten Schiffs, der am Kai vor sich hinrostete. »Da ist eine Sache, die ich mich schon mehrmals gefragt habe. Lassen wir zu, dass es passiert, oder lassen wir es passieren?« Er sah Ancram an. »Was meinen Sie?«
Ancram runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht genau, ob ich die Frage verstehe.«
»Ich auch nicht«, gab Rebus zu. »Sagen Sie Ihrem Fahrer, er soll mit meinem Auto aufpassen. Die Lenkung schlackert ein bisschen.«
Die Panik der Träume
21
Sie verfolgten ihn Araukarien-Leitern hinauf und hinunter, hoch über der tobenden See, die ermüdetes Metall verbog. Rebus verlor den Halt, polterte Stufen hinab, riss sich die Seite auf, und als er sie berührte, hatte er Erdöl statt Blut an den Fingern. Sie waren fünf, sechs Meter über ihm und lachten, ließen sich Zeit: Wo sollte er schon hin? Vielleicht konnte er fliegen, mit den Armen flattern und sich ins Leere schwingen. Das Einzige, wovor er Angst haben musste, war der Aufprall.
Als landete man auf Beton.
War es besser oder schlimmer als auf Zaunspießen zu landen? Er musste sich entscheiden; seine Verfolger waren ihm dicht auf den Fersen. Sie waren immer dicht hinter ihm, dennoch blieb er stets vor ihnen, selbst wenn er verletzt war. Ich könnte es hier rausschaffen, dachte er.
Ich könnte es hier rausschaffen!
Eine Stimme direkt hinter ihm: »Im Traum vielleicht.« Dann ein Stoß, hinaus ins Leere.
Rebus schreckte so abrupt aus dem Schlaf auf, dass er mit dem Kopf gegen das Wagendach knallte. In seinem Körper brodelte es vor Angst und Adrenalin.
»Herrgott«, sagte Ancram, als er die Kontrolle über den Wagen wiedergewonnen hatte, »was ist passiert?«
»Wie lange hab ich geschlafen?«
»Haben Sie? Hatte ich gar nicht gemerkt.«
Rebus sah auf die Uhr: vielleicht nur ein paar Minuten. Er rieb sich übers Gesicht, erklärte seinem Herz, es dürfe sich jetzt beruhigen. Er konnte Ancram sagen, dass es ein Albtraum oder eine Panikattacke gewesen war. Aber er dachte nicht daran, ihm irgendwas zu sagen. Bis zum Nachweis des Gegenteils war Ancram nicht weniger der Feind als ein x-beliebiger knarreschwingender Killer.
»Wovon hatten Sie eben gesprochen?«, fragte er also stattdessen.
»Ich war dabei, den Deal zu skizzieren.«
»Richtig, der Deal.« Die Sonntagszeitungen waren Rebus vom Schoß gefallen. Er hob sie wieder auf. Johnny Bibles jüngste Gräueltat hatte es nur auf eine Titelseite geschafft; die anderen waren zu früh in Druck gegangen.
»Im Augenblick habe ich genug gegen Sie in der Hand, um Sie vom Dienst suspendieren zu lassen«, erklärte Ancram. »Was für Sie keine besonders ungewohnte Situation sein dürfte, Inspector.«
»Nicht besonders, nein.«
»Selbst wenn ich die Johnny-Bible-Sache außer Acht lasse, bleibt noch immer Ihre entschieden mangelnde Bereitschaft, bei meiner
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