Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
gewesen. Sie hatte als Direktorin einer Firma gearbeitet, die »Unternehmenspräsentationen« organisierte. Rebus war sich nicht hundertprozentig sicher, was er sich darunter vorstellen sollte. Das Foto in der Zeitung war der übliche Cheese-Schnappschuss. Sie hatte schulterlanges gewelltes Haar, schöne Zähne und wahrscheinlich nicht vorgehabt, vor ihrem achtzigsten Geburtstag zu sterben.
»Wir müssen dieses Ungeheuer fassen«, wiederholte Rebus den letzten Satz des Artikels. Dann knüllte er die Zeitung zusammen und griff nach seinem Kaffeebecher. Als er den Blick nach unten richtete, sah er Vanessa Holden noch einmal aus dem Augenwinkel und hatte plötzlich das Gefühl, ihr schon mal begegnet zu sein: nur ganz flüchtig, im Vorübergehen. Er deckte ihre Haare mit der Hand ab. Altes Foto. Vielleicht hatte sie sich inzwischen eine andere Frisur zugelegt. Er versuchte, sich ihr Gesicht mit den Spuren von ein paar Jährchen mehr vorzustellen. Ancram war abgelenkt, redete gerade mit dem Fahrer, und so bemerkte er nicht, wie der Schock des Wiedererkennens Rebus blass werden ließ.
»Ich muss eben mal telefonieren«, sagte Rebus und stand auf. Das Münztelefon befand sich neben dem Eingang; er würde vom Tisch aus zu sehen sein. Ancram nickte.
»Gibt es ein Problem?«, fragte er.
»Heute ist Sonntag, da hätte ich in die Kirche gesollt. Der Herr Pastor wird sich Sorgen machen.«
»Die Geschichte ist noch schwerer zu schlucken als dieser Speck.« Ancram stach mit seiner Gabel in das inkriminierte Objekt. Aber er ließ Rebus ziehen.
Rebus wählte und hoffte, dass sein Kleingeld reichen würde: immerhin Sonntag, günstiger Tarif. Im Präsidium der Polizei Grampian nahm jemand ab.
»DCI Grogan, bitte«, sagte Rebus, die Augen auf Ancram gerichtet. Das Restaurant war voll von Sonntagsausflüglern und deren Familien; keine Gefahr, dass Ancram ihn hören konnte.
»Er ist im Augenblick leider beschäftigt.«
»Es geht um Johnny Bibles jüngstes Opfer. Ich stehe in einer Telefonzelle, und das Geld ist knapp.«
»Einen Augenblick bitte.«
Dreißig Sekunden. Ancram beobachtete ihn mit gerunzelter Stirn. Dann: »DCI Grogan.«
»Hier ist Rebus.«
Grogan schnappte hörbar nach Luft. »Was zum Teufel wollen Sie?«
»Ich will Ihnen einen Gefallen tun.«
»Ach ja?«
»Könnte Ihnen eine Beförderung einbringen.«
»Ist das Ihre Vorstellung von Humor? Denn eins kann ich Ihnen sagen -«
»Kein Witz. Haben Sie gehört, was ich über Eve und Stanley Toal gesagt habe?«
»Ja.«
»Werden Sie da was unternehmen?«
»Vielleicht.«
»Machen Sie ein >bestimmt‹ daraus... tun Sie mir den Gefallen.«
»Und dann tun Sie mir Ihrerseits diesen Superluxusgefallen?«
»Genau.«
Grogan hustete, räusperte sich. »In Ordnung«, sagte er.
»Im Ernst?«
»Ich halte meine Versprechen.«
»Dann hören Sie zu. Ich habe gerade ein Foto von Johnnys jüngstem Opfer gesehen.«
»Und?«
»Ich habe die Frau vorher schon mal gesehen.« Ein kurzes Schweigen. »Wo?«
»Sie kam eines Abends in den Burke's Club, als Lumsden und ich gerade am Gehen waren.«
»Und?«
»Und sie hing am Arm eines Mannes, den ich kannte.«
»Sie kennen eine Menge Leute, Inspector.«
»Was nicht bedeutet, dass ich was mit Johnny Bible zu tun habe, wohl aber vielleicht der Mann an ihrem Arm.«
»Hat der Mann auch einen Namen?«
»Hayden Fletcher, arbeitet für T-Bird Oil, Public Relations.« Grogan schrieb mit. »Ich geh der Sache nach«, sagte er.
»Vergessen Sie Ihr Versprechen nicht.«
»Hab ich was versprochen? Kann mich nicht erinnern.« Die Verbindung wurde getrennt. Rebus hätte am liebsten den Hörer als Vorschlaghammer benutzt, doch Ancram beobachtete ihn, und außerdem waren Kinder in der Nähe. Also legte er wie ein ganz normaler Mensch auf und kehrte zum Tisch zurück. Der Fahrer stand auf und ging hinaus, ohne Rebus eines Blickes zu würdigen, woraus Rebus schloss, dass er irgendwelche Instruktionen erhalten hatte.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Ancram.
»In allerbester.« Rebus ließ sich Ancram gegenüber nieder. »Wann geht die Inquisition also los?«
»Sobald wir eine leere Folterkammer gefunden haben.« Schließlich mussten beide lächeln. »Hören Sie, Rebus, persönlich kümmert's mich einen Dreck, was vor zwanzig Jahren zwischen Ihrem Freund Geddes und diesem Lenny Spaven gelaufen ist. Ich hab's schon vorher erlebt, dass Ganoven was angehängt kriegen: Man kann sie nicht wegen dem festnageln, von dem man weiß , dass sie
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