Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
zuckte die Achseln. Er betrachtete aufmerksam das Gesicht des Toten, fühlte sich von ihm betrogen, verspottet: die geschlossenen Augen, der friedliche Ausdruck... War ein elend langer Weg hierher, herzlichen Dank auch, du Scheißkerl . Er ging näher heran, hob die Jacke ein paar Zentimeter hoch und schaute darunter.
Unter Martin Davidsons linker Achselhöhle klemmte ein schwarzer Slipper.
»Herrgott«, sagte Rebus und wandte sich zu Grogan und Jack. »Das war Bible John!« In ihren Mienen vermischte sich Unglauben mit Entsetzen. Rebus hob die Jacke noch ein Stückchen höher, so dass auch sie den Schuh sehen konnten. »Er war die ganze Zeit hier«, stellte er fest. »Er ist überhaupt nie weg gewesen...«
Die Spurensicherung erledigte ihr Geschäft, fotografierte und filmte, nahm Fingerabdrücke ab und steckte potenzielle Beweisstücke in Plastikbeutel. Der Pathologe untersuchte die Leiche und erklärte dann, sie könne jetzt abtransportiert werden. Draußen vor der Polizeiabsperrung warteten Reporter. Als die Spusi im ersten Stock fertig war, nahm Grogan Rebus und Jack mit nach oben. Es schien ihn nicht zu stören, dass sie da waren;
wahrscheinlich hätte es ihn nicht mal gestört, Jack the Ripper als Zuschauer zu haben.
Grogan war derjenige, den man heute Abend im Fernsehen sehen würde, der Mann, der Johnny Bible zur Strecke gebracht hatte. Bloß, dass es leider nicht stimmte - jemand war ihm zuvorgekommen.
»Erklären Sie's mir noch mal«, sagte Grogan, während sie die Treppe hinaufstiegen.
»Bible John nahm Souvenirs mit - Schuhe, Kleidungsstücke, Handtaschen. Aber er stopfte auch immer eine Monatsbinde in die linke Achselhöhle. Das da unten... das war seine Art, uns mitzuteilen, wer es getan hat.« Grogan schüttelte den Kopf. Da würde noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten sein. Vorerst hatte er ihnen allerdings einiges zu zeigen. Das Schlafzimmer war nicht weiter bemerkenswert, aber unter dem Bett lagen Kartons voller Magazine und Videos, Hardcore-SM, nicht viel anders als das Zeug, das man in Tony Eis Pensionszimmer gefunden hatte, mit Texten in Englisch und anderen Sprachen. Rebus fragte sich, ob eine der amerikanischen Gangs das Material nach Aberdeen eingeführt hatte.
Dann gab es noch ein kleines Gästezimmer mit Vorhängeschloss an der Tür. Sobald man es aufgebrochen hatte, fiel eine alternative Theorie wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Ein paar CID-Beamte hatten sich gefragt, ob Johnny Bible nicht möglicherweise versuchte, sie auszutricksen: einen Unschuldigen getötet und Beweisstücke platziert hatte, die ihn als den Serienmörder erscheinen lassen sollten. Das Gästezimmer bewies, dass Martin Davidson Johnny Bible war. Der Raum war eine einzige Kultstätte zu Ehren Bible Johns und anderer Mörder: Dutzende von Sammelalben, an die Korktapeten gepinnte Zeitungsausschnitte und Fotos, Kopien von Dokumentarfilmen über Serienmörder, Taschenbücher voller handschriftlicher Notizen und im Mittelpunkt des Ganzen eine vergrößerte Kopie eines der alten Bible-John-Fahndungsbilder: ein fast lächelndes, freundliches Gesicht, darüber die immer gleich bleibende entscheidende Frage: HABEN SIE DIESEN MANN GESEHEN?
Rebus hätte beinahe »ja« geantwortet; dieses Gesicht - seine Form -, er hatte es zuvor schon einmal gesehen... vor nicht allzu langer Zeit. Er holte das Foto aus Borneo aus der Tasche, sah Ray Sloane an, dann wieder das Poster.
Sie waren sich sehr ähnlich, aber es war nicht diese Ähnlichkeit, die Rebus zu schaffen machte. Da war noch etwas anderes, jemand anderes...
Dann fragte ihn Jack etwas, und es war weg.
Sie fuhren mit allen anderen zurück in die Queen Street. Rebus und Jack waren stillschweigend ins Ermittlungsteam aufgenommen worden. Allseits gedämpfter Jubel, gemäßigt durch das Wissen darum, dass ein weiterer Mörder auf freiem Fuß war. Aber wie wenigstens ein Officer es formulierte: »Wenn er diesen Dreckskerl erledigt hat, kann er von mir aus selig werden.«
Was, wie Rebus vermutete, genau die Reaktion war, auf die Bible John gehofft hatte. Falls er tatsächlich wieder aktiv geworden war, dann einzig zu dem einen Zweck - seinen Imitator zu töten. Johnny Bible hatte seinem Vorgänger den wohl verdienten Ruhm gestohlen; jetzt hatte ihn die Strafe dafür ereilt.
Rebus saß im CID-Büro und starrte nachdenklich ins Leere. Als jemand ihm eine Tasse reichte, führte er sie an die Lippen. Aber Jack hielt seine Hand fest.
»Das ist Whiskey«, sagte er
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