Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
holte er Notizbuch und Stift heraus und schrieb sich ein paar Nummern auf; dann ging er in den hinteren Teil der Bar, wo sich das Telefon befand. Direkt neben den Toiletten - für seine Zwecke abgeschieden genug, besonders jetzt, wo das Pub so gut wie leer war. Er rief ein paar Antiquariate und drei Bibliotheken an. Die Resultate waren, wie er fand, zufrieden stellend, wenn schon nicht eigentlich erfolgreich, aber andererseits hatte er sich schon vor Wochen darauf eingestellt, dass das ein langwieriger Prozess werden konnte. Schließlich verfügte er zwar über die einschlägigen Kenntnisse und Erfahrungen, aber die Polizei besaß Hunderte von Männern und Computern und einen riesigen Presseapparat. Und sie konnte offen ermitteln. Seine eigenen Ermittlungen über den Parvenü mussten diskreter vonstatten gehen, und er brauchte Hilfe. Was ein Risiko in sich barg. Es war immer riskant, andere einzubeziehen. Er hatte sich viele Tage und Nächte über das Dilemma den Kopf zerbrochen: auf der einen Seite sein Wunsch, den Parvenü aufzuspüren, auf der anderen die Möglichkeit, sich dadurch selbst - seine Identität - zu verraten.
Also hatte er sich eine Frage gestellt: Wie wichtig war es ihm, den Parvenü zu finden? Und hatte sie beantwortet: Sehr wichtig. Sehr, sehr wichtigEr verbrachte den Nachmittag auf und bei der George IV Bridge: in der National Library of Scotland und der Central Lending Library. Für die National Library besaß er eine Benutzerkarte, er hatte da früher geschäftliche Recherchen durchgeführt und außerdem ein wenig über den Zweiten Weltkrieg gelesen, seit einiger Zeit seine Lieblingsbeschäftigung. Er suchte außerdem mehrere Antiquariate in der näheren Umgebung auf und erkundigte sich nach Büchern über wahre Kriminalfälle. Den Angestellten erzählte er, die Johnny-Bible-Morde hätten sein Interesse geweckt.
»Wir haben nur ein halbes Regalbrett über reale Verbrechen«, sagte die Verkäuferin und zeigte es ihm. Bible John tat so, als sehe er sich die Bücher interessiert an, und kehrte dann zum Ladentisch zurück.
»Nein, nichts gefunden. Nehmen Sie auch Suchaufträge an?«
»Nicht direkt«, antwortete die Verkäuferin. »Aber wir notieren uns Anfragen...« Sie zog ein schweres, altmodisches Hauptbuch heraus und schlug es auf. »Sie können aufschreiben, wonach Sie suchen, hinterlassen Ihren Namen und Ihre Adresse, und wenn uns das Buch irgendwann zufällig angeboten wird, setzen wir uns mit Ihnen in Verbindung.«
»Gut.«
Bible John zog seinen Füller heraus, und während er langsam schrieb, las er die letzten Einträge. Er blätterte eine Seite zurück und überflog auch diese Liste von Titeln und Themen.
»Ist es nicht erstaunlich, welch unterschiedliche Interessen die Leute haben?«, sagte er lächelnd zur Verkäuferin. Er wandte denselben Trick noch in drei weiteren Antiquariaten an, fand aber keinerlei Hinweis auf den Parvenü.
Dann schlenderte er zum Nebengebäude der National Library, wo jüngere Zeitungsjahrgänge aufbewahrt wurden, und blätterte je einen ganzen Monat Scotsman, Herald und Press and Journal durch; zu einzelnen Meldungen - tätlichen Angriffen, Vergewaltigungen - machte er sich Notizen. Natürlich war ihm bewusst, dass ein etwaiger erster, missglückter Versuch nicht unbedingt angezeigt worden sein musste. Die Amerikaner hatten ein Wort für das, was er da tat. Sie nannten es shitwork .
Ins Hauptgebäude der National Library zurückgekehrt, musterte er die Bibliothekare, auf der Suche nach einem ganz bestimmten Typ. Als er glaubte, den passenden gefunden zu haben, sah er nach, wie die Öffnungszeiten der Bibliothek waren, und entschied sich zu warten.
Als die Tore schlössen, stand er, die Augen vor dem Abendlicht durch die Sonnenbrille geschützt, vor der National Library, während sich zwischen ihm und der Central Library der Verkehr im Kriechtempo vorwärtsschob. Er sah mehrere Angestellte einzeln und in Gruppen das Gebäude verlassen. Dann erkannte er den jungen Mann, auf den er gewartet hatte. Als dieser in die Victoria Street einbog, überquerte Bible John die Straße und folgte ihm. Es waren viele Passanten unterwegs, Touristen, Trinker, ein paar Leute auf dem Weg nach Hause. Auf dem Grassmarket trat der junge Mann in den erstbesten Pub. Bible John blieb stehen und überlegte: Ein schneller Drink, bevor es nach Hause ging? Oder würde der Bibliothekar Freunde treffen und vielleicht den ganzen Abend bleiben? Er beschloss hineinzugehen.
Die Bar war
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