Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
»Na, dann kommen Sie mal mit.«
Ancram führte Rebus den Korridor entlang zu einer zweiten Büroflucht. In der Luft hing ein modriger Geruch, eher der einer Bibliothek als eines Polizeireviers. Der Raum war gestopft voll mit alten Pappkartons, Ablageboxen, mit Schnur zusammengebundenen Stößen welligen und eselsohrigen Papiers. Vier Detectives - zwei männliche und zwei weibliche - arbeiteten sich durch alles, aber auch alles, was mit dem Bible-John-Fall zu tun hatte.
»Der ganze Krempel war in einem Lagerraum untergebracht. Sie hätten die Staubwolken sehen sollen, als wir ihn da rausgeholt haben.« Zur Illustration blies er auf einen Aktendeckel.
»Dann glauben Sie also, dass eine Verbindung besteht?«
Das war eine Frage, die jeder Polizeibeamte in Schottland schon jedem anderen Polizeibeamten gestellt hatte, denn es bestand schließlich noch immer die Möglichkeit, dass die zwei Mordserien, die zwei Mörder, nichts miteinander zu tun hatten, in welchem Fall Hunderte von Arbeitsstunden vergeudet worden wären.
»Aber ja«, antwortete Ancram. Ja: Das war auch Rebus' Meinung. »Ich meine, zunächst einmal ist der Modus Operandi auffällig ähnlich, dann haben wir die Souvenirs, die er vom Tatort mitnimmt. Das Aussehen Johnny Bibles mag von mir aus purer Zufall sein, aber ich bin sicher, dass er seinen Helden kopiert.« Ancram sah Rebus an. »Sie nicht?«
Rebus nickte. Er betrachtete die Massen an Material und wünschte sich, er könnte sich ein paar Wochen lang darin vergraben und, wer weiß, vielleicht etwas finden, was niemand anderem aufgefallen war... Es war natürlich ein Traum, eine Phantasie, aber in flauen Nächten reichte das manchmal als Motivation zum Weitermachen. Rebus besaß seine Zeitungen, aber die erzählten von der Geschichte nur so viel, wie die Polizei seinerzeit an die Öffentlichkeit gelassen hatte. Er trat an ein Regal und las die Beschriftungen der dort stehenden Ordner: Tür-zu- Tür; Taxiunternehmen; Friseure; Herrenausstatter; Perückengeschäfte.
»Perückengeschäfte?«
Ancram lächelte. »Sein kurzes Haar, die Kollegen dachten damals, es könnte eine Perücke sein. Mit Friseuren haben sie sich unterhalten für den Fall, dass einer den bestimmten Schnitt wieder erkennen würde.«
»Und mit Herrenausstattern wegen seines italienischen Anzugs.« Erneut starrte Ancram ihn an.
Rebus zuckte die Achseln. »Der Fall interessiert mich. Was ist das?« Er deutete auf eine Wandkarte.
»Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen den zwei Fällen«, sagte Ancram. »Tanzlokale versus Klubszene. Und die Personenbeschreibungen: groß, mager, zurückhaltend, rotbraunes Haar, gut angezogen... Ich meine, Johnny könnte glatt Bible Johns Sohn sein.«
»Das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen. Angenommen, Johnny Bible kopiert wirklich seinen Helden, und angenommen, Bible John treibt sich immer noch irgendwo da draußen herum...«
»Bible John ist tot.«
Rebus wandte den Blick nicht von der Karte. »Aber nur mal angenommen, er ist es nicht. Ich meine, fühlt er sich geschmeichelt? Auf den Schlips getreten? Oder was?«
»Fragen Sie mich nicht.«
»Das Glasgower Opfer war nicht in einem Klub gewesen«, meinte Rebus.
»Nun, der Ort, an dem sie zuletzt gesehen wurde, war kein Klub. Aber sie hatte vorher an dem Abend einen besucht, er könnte ihr also von dort zum Konzert gefolgt sein.«
Opfer eins und zwei hatte Johnny Bible in Nachtklubs aufgelesen, den modernen Entsprechungen der Tanzlokale der Sechziger: lauter, dunkler, gefährlicher. Sie befanden sich in Gesellschaft von Bekannten, die allerdings nur eine sehr ungefähre Beschreibung des Mannes, mit dem sie fortgegangen waren, liefern konnten. Das dritte Opfer aber, Judith Cairns, war während eines Rockkonzerts in einem Raum über einem Pub abgeschleppt worden.
»Wir hatten auch noch andere«, erklärte Ancram. »Drei Ungelöste in Glasgow gegen Ende der Siebziger, bei allen dreien fehlte irgendein persönlicher Gegenstand.«
»Als ob Bible John die Gegend nie verlassen hätte«, murmelte Rebus.
»Es gibt sehr viel, aber nicht annähernd genug Material.« Ancram verschränkte die Arme. »Wie gut kennt Johnny die drei Städte? Suchte er sich die Klubs wahllos aus, oder kannte er sie schon? Wurde jeder Tatort im Voraus ausgewählt? Könnte er ein Brauereifahrer sein? Ein DJ? Ein Musikjournalist? Scheiße, er könnte genauso gut Verfasser von Stadtführern sein.« Ancram stieß ein kurzes, freudloses Lachen aus und rieb sich dann
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