Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
ein Auto auf: drinnen zwei Gestalten, Rauchwolken aus einem offenen Fenster, Radio eingeschaltet. Konnten nur Reporter sein. Das war die Friedhofsschicht. An diesem Punkt einer Story teilten Reporter den Tag in Schichten auf, so dass sie nicht alle vor Ort herumzusitzen brauchten. Wer gerade Wache schob, war gehalten, jede etwaige neue Entwicklung umgehend allen anderen Journalisten mitzuteilen.
Als er endlich die Tür des Polizeireviers öffnete, erklang plätschernder Applaus. Er trat an den Schalter.
»Hat's also doch geklappt?«, fragte der Sergeant vom Dienst. »Wir dachten schon, wir würden Suchtrupps losschicken müssen.«
»Wo ist CI Ancram?«
»In einer Besprechung. Er sagte, Sie möchten raufgehen und warten.«
Also marschierte Rebus nach oben und stellte fest, dass aus den einzelnen CID-Büros ein riesiges zusammenhängendes »Mordzimmer« geworden war. An den Wänden hingen Fotos: Judith Cairns, Ju-Ju, lebendig und tot. Weitere Fotos vom Tatort - Kelvingrove Park, eine von Büschen umgebene, geschützte Stelle. Ein Dienstplan war gleichfalls ausgehängt: hauptsächlich Routinebefragungen, Laufarbeit, keine großen Erkenntnisse zu erwarten, aber eben Dinge, die auch gemacht werden mussten. Beamte klapperten auf Tastaturen, griffen vielleicht gerade auf den Zentralrechner der schottischen Kriminalpolizei zu, vielleicht sogar auf HOLMES - die große Fahndungs-Datenbank des britischen Innenministeriums. Alle Mordfälle - ausgenommen diejenigen, die sofort aufgeklärt wurden - kamen in das Home Office Large Major Enquiry System, HOLMES. Teams von fleißigen Detectives und Uniformierten waren rund um die Uhr damit beschäftigt, Daten einzugeben, zu überprüfen und durch Querverweise miteinander zu verknüpfen. Selbst Rebus - sonst kein großer Bewunderer neuer Technologien - erkannte die Vorteile, die die Datenbank gegenüber dem alten Karteikartensystem bot. Er blieb neben einem Terminal stehen und sah jemandem zu, der gerade eine Aussage eingab. Als er den Kopf wieder hob, erblickte er ein Gesicht, das er kannte, und ging auf den zu, dem es gehörte.
»Hey, Jack, ich dachte, Sie wären noch in Falkirk?«
DI Jack Morton drehte sich um und riss ungläubig die Augen auf. Er stand von seinem Schreibtischstuhl auf, ergriff Rebus' Hand und schüttelte sie energisch.
»Bin ich auch«, sagte er, »aber die sind hier unterbesetzt.« Er sah sich im Großraumbüro um. »Was so betrachtet kein Wunder ist.«
Rebus musterte Morton von Kopf bis Fuß und traute seinen Augen nicht. Bei ihrer letzten Begegnung hatte Jack fünfzehn bis zwanzig Kilo Übergewicht gehabt und dazu einen starken Raucherhusten. Jetzt war er nicht nur seine überschüssigen Pfunde los, auch die sonst unvermeidliche Kippe war aus seinem Mundwinkel verschwunden. Ja, mehr noch, sein Haar wirkte gepflegt und tadellos frisiert, und er trug einen teuren Anzug, blank polierte schwarze Schuhe, ein blütenweißes Hemd und einen Schlips.
»Was ist denn mit Ihnen passiert?«, fragte Rebus.
Morton lächelte und klopfte sich auf den fast flachen Bauch. »Ich hab mich einfach eines Tages angesehen und mich gewundert, dass der Spiegel nicht streikte. Hab mir Saufen und Rauchen abgewöhnt und bin in einen Fitnessklub eingetreten.«
»Einfach so?«
»Es ging um Leben und Tod. Da kann man es sich nicht leisten, lange zu fackeln.«
»Sie sehen toll aus.«
»Ich wollte, ich könnte das Gleiche von Ihnen sagen, John.«
Rebus versuchte sich gerade etwas Schlagfertiges auszudenken, als CI Ancram hereinkam.
»DI Rebus?« Sie gaben sich die Hand. Der Chief Inspector schien es nicht eilig zu haben, wieder loszulassen. Seine Augen sogen Rebus förmlich in sich auf. »Tut mir Leid, dass Sie warten mussten.«
Ancram war Anfang fünfzig und genauso gut angezogen wie Morton. Er hatte kaum noch Haare, aber die trug er mit dem Stil eines Sean Connery, und das Gleiche galt für den dichten dunklen Schnurrbart.
»Hat Jack Sie herumgeführt?«
»Nicht direkt, Sir.«
»Nun, das hier ist die Glasgower Seite der Operation Johnny Bible.«
»Sind Sie das Revier, das Kelvingrove am nächsten liegt?«
Ancram lächelte. »Die räumliche Nähe zum Tatort stellte nur einen Gesichtspunkt dar. Judith Cairns war sein drittes Opfer. Mittlerweile hatten die Medien schon Parallelen zum Bible-John-Fall entdeckt. Und sämtliche Bible-John-Akten befinden sich hier.«
»Meinen Sie, ich kann da einen Blick reinwerfen?«
Ancram sah ihn nachdenklich an und zuckte dann die Achseln.
Weitere Kostenlose Bücher