Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
bei Sammy Sahneschnitten und Darjeelingtee und bei abgeschaltetem Ton im Fernsehen die Highlights des Fußballnachmittags. Sammy berichtete Patience von ihren neusten Rehaübungen. Ned unterhielt sich mit Rebus. Doch der hörte nicht zu, sah halb zum Fenster hinüber, fragte sich, ob Gary Oakes da draußen war...
An diesem Abend sagte er zu Patience: »Ich muss nach Hause, ein paar Dinge holen. Ich komm später zurück.« Er küsste sie. »Bleibst du hier, oder möchtest du mit?«
»Ich bleib hier«, gab sie zur Antwort.
Also setzte Rebus sich ins Auto und fuhr los. Nicht in die Arden Street, sondern nach Leith. Er ging ins Hotel und fragte nach Cary Oakes. Die Rezeption versuchte es in seinem Zimmer: keine Antwort.
»Vielleicht ist er ah der Bar«, meinte die Frau.
Aber Cary Oakes war nicht an der Bar, dafür Jim Stevens.
»Ich geb Ihnen einen aus«, sagte er. Rebus schüttelte den Kopf, sah, dass Stevens sich große Gin Tonics reinzog.
»Wo ist Ihr Schützling?« Stevens zuckte die Achseln.
»Ich dachte, Sie wollten ihn im Auge behalten«, sagte Rebus, bemüht, seine Wut zu zügeln.
»Das tu ich, glauben Sie mir. Aber er ist ein aalglattes kleines Arschloch.«
»Wie viel können Sie noch aus ihm rausquetschen?«
Stevens lächelte kopfschüttelnd. »Es ist etwas Seltsames und Erstaunliches passiert. Sie kennen mich, Rebus, ich bin ein alter Profi, was bedeutet: Ich bin taff, ich geb niemals auf, und ich lass mir keine Scheiße auftischen.«
»Und?«
»Und ich glaube, er hat mir Scheiße aufgetischt.« Stevens zuckte wieder die Achseln. »Ist kein übler Stoff, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber lässt sich irgendwas davon beweisen?«
»Seit wann ist das für Sie ein Kriterium?«
Stevens beugte den Kopf, erkannte das Argument an. »Zur Befriedigung meiner Neugier«, fügte er hinzu, »wüsste ich es doch gern. Und en passant hat der liebe alte Cary es irgendwie geschafft, mir fast ebenso viele Storys aus dem Kreuz zu leiern, wie ich aus ihm rausgeholt hab.«
»Und dabei waren Sie von jeher berühmt für Ihre Verschwiegenheit ...«
»Ich hab nichts dagegen, Geschichten zu erzählen... verbaler Schlagabtausch am Tresen und so. Aber Oakes... ich weiß nicht. Es sind nicht so sehr die Geschichten an sich, die ihn interessieren, als das, was sie über die jeweiligen Beteiligten verraten.« Er griff nach seinem Drink. Daneben standen schon drei leere Gläser. Er hatte sämtliche Zitronenscheiben in das aktuelle Glas umgefüllt. »Das ergibt wahrscheinlich keinen Sinn. Ist mir auch egal, hab Feierabend.«
»Dann sind Sie also mit ihm fertig?«
Stevens schmatzte mit den Lippen. »Ich würde sagen, es dauert nicht mehr lang. Die Frage ist aber: Ist er mit mir fertig?«
Rebus holte eine Zigarette heraus und steckte sie sich an, dann bot er auch dem Reporter eine an. »Er beschattet mich und Leute, die ich kenne.«
»Wozu?«
»Vielleicht möchte er Ihnen noch eine weitere Story liefern.« Rebus rückte näher heran. »Hören Sie, ganz inoffiziell jetzt: nur zwei alte Suffköppe, die miteinander plaudern...«
Stevens blinzelte. »Ja?«
»Hat er irgendetwas über Deirdre Campbell verlauten lassen?« Der Name sagte Steven nichts. »Alan Archibalds Nichte.«
»Ja, klar.« Ein übertriebenes Nicken, dann ein konzentriertes Stirnrunzeln. »Er sagte was von Aufklärungsquoten. Er sagte, das wär's, was passiert, wenn die Bullen einen wegen irgendwas am Arsch kriegen: dann versuchen sie immer, zusätzlich noch ein paar unaufgeklärte Fälle dadurch abzuschließen, dass sie die einem ebenfalls in die Akte schaufeln.«
Rebus setzte sich auf einen Barhocker. »Konkreter hat er sich nicht geäußert?«
»Sie meinen, ich könnte was überhört haben?«
Rebus machte ein nachdenkliches Gesicht. »Sie sagten, Sie haben das Gefühl, dass er Sie benutzt.«
»Indem er Hinweise in seiner Geschichte platziert, die ich dann nicht mitbekomme? Nun machen Sie mal halblang.«
»Er steht auf Spielchen« , zischte Rebus. »Mehr sind wir für ihn gar nicht.«
»Ich schon. Ich halt ihn aus: Ich bin sein Sugar Daddy.c »Sugar Daddys sind dazu da, dass man sie betrügt.« »John...« Stevens richtete sich auf, holte tief Luft. »Diese Story hat mich wieder ins Rennen gebracht. Ich hab ihn an Land gezogen. Ich, der abgehalfterte alte Jim Stevens, Anwärter auf die nächste goldene Uhr. Selbst wenn er heute Nacht die Flatter machen sollte, hätte ich schon beinah genügend Material für ein ganzes Buch zusammen.« Er nickte vor
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