Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
ihn an. Stevens musste als Erster blinzeln, was Oakes als Sieg zu genügen schien. Er stieß sich an den Armlehnen ab, warf den Kopf in den Nacken und ließ ein wieherndes Gelächter ertönen. Dann neigte er sich wieder hinunter und tätschelte Stevens' gummiweiche Backe.
»Ist schon okay, Jim, ehrlich. Ich war nie wirklich auf das Geld aus. Sie sollten lediglich das Gefühl haben können, Sie hätten mich in der Hand.«
»Das habe ich nie gedacht, Oakes.«
»Schluss mit Vornamen? Habe ich Sie irgendwie verärgert?«
Stevens schüttelte die Kassettenbox. »Wie viel davon ist Bockmist?« Oakes grinste wieder. »Was glauben Sie , Partner?«
»Ich weiß nicht. Deswegen frage ich Sie ja.« Er bemerkte, dass Oakes einen Blick auf die Nachttischuhr warf. »Wollen Sie noch irgendwohin?«
»Mein Job ist erledigt. Was hält mich noch hier?«
»Wo gehen Sie hin?« Stevens wusste selbst nicht warum, aber während Oakes gelacht hatte, hatte er den Kassettenrekorder wieder eingeschaltet. Da das Gerät noch in seiner Hemdtasche steckte, wusste er nicht, wie viel es aufnehmen würde. Er hörte das Motörchen arbeiten, spürte, wie es an seiner Brust surrte.
»Wieso interessiert Sie das?«
»Ich bin Reporter. Sie sind noch immer eine Story.«
»Das Beste haben Sie noch gar nicht, Jimmy-Baby.«
Stevens fuhr sich mit seiner trockenen Zunge über die Lippen.
»Mach ich Ihnen Angst, Jim?«
»Manchmal«, gab Stevens zu.
»Sie sind kräftiger als ich, jedenfalls schwerer. Sie könnten doch mit mir fertig werden, oder?«
»Es ist nicht immer nur eine Frage der Körpergröße.«
»Wie wahr, wie wahr. Manchmal geht's bloß darum, wie wahnsinnig und gemeingefährlich der Gegner ist. Erkennen Sie einen Hauch von Wahnsinn in mir, Jimbo?«
Stevens nickte langsam. »Und von Gemeingefährlichkeit auch«, fügte er hinzu.
»Das können Sie laut sagen.« Oakes betrachtete sich im Wandspiegel, strich sich mit einer Hand über das kurz geschorene Haar. »Und es ist ein hungriger Wahnsinn, Jim. Er verlangt von mir, dass ich Menschen auffresse.« Ein langsamer Blick zur Seite. »Nicht Sie, natürlich, in dem Punkt brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
»In welchem Punkt sollte ich mir denn welche machen?«
»Das werden Sie schon noch früh genug erfahren.« Er musterte sich noch einmal im Spiegel. »Ich habe eine Verabredung mit meiner Vergangenheit, Jim. Ein Date mit dem Schicksal, wie Sie und Ihre Schmierfinkkollegen es vielleicht formulieren würden. Mit jemandem, der nie auf mich hören wollte.« Jetzt zum Journalisten gewandt: »Als ich rauskam, wusste ich, dass ich meine Geschichte erzählen würde. Ich hatte genügend Zeit gehabt, sie mir zurechtzulegen.«
»Das klingt nicht gerade nach einer wahren Geschichte.«
»Sie haben mehr Grips, als man Ihnen ansieht, Jimbo.« Oakes lachte. Stevens' Herz schlug ein bisschen schneller. Er hatte das schon seit einigen Tagen geargwöhnt, aber das machte es nicht leichter, es jetzt im Klartext zu hören.
»Irgendwas davon wird doch wohl stimmen«, stieß er mühsam hervor.
»Die Schotten sind geborene Geschichtenerzähler, Jim, habe ich Recht?« Er tätschelte Stevens noch einmal die Backe, dann wandte er sich zur Tür. »Es war alles gequirlte Scheiße, Jim. Vergessen Sie das nie, solang Sie leben.«
Nachdem sich die Tür hinter Oakes geschlossen hatte, legte Stevens den Kopf in die Hände und blieb ein paar Augenblicke lang so sitzen, erleichtert darüber, dass die Sache vorbei war... was immer das Resultat auch sein mochte. Als sein Telefon klingelte, fiel ihm wieder der Rekorder in seiner Brusttasche ein. Er fischte ihn heraus und schaltete ihn aus, ließ das Band zurücklaufen und drückte auf PLAY.
Oakes' Stimme klang jetzt leise und blechern, aber deswegen nicht minder dämonisch. Es war alles gequirlte Scheiße, Jim . Er schaltete das Gerät aus und ging ans Telefon. Räusperte sich erst und setzte sich auf die Bettkante.
»Hallo?«, sagte er in die Sprechmuschel.
»Jim, sind Sie das? Peter Barclay hier.«
Barclay schrieb für ein Konkurrenzblatt. »Was wollen Sie, Peter?«
»Im schlechten Augenblick erwischt?« Barclay schmunzelte. Er sprach immer mit einer Zigarette im Mund. Er klang dadurch wie ein schlechter Bauchredner.
»Könnte man sagen.«
»Ich sag's auch. Ihr Junge hat aus der Schule geplaudert.«
»Was?« Stevens hörte auf, sich den Nacken zu reiben.
»Er hat einen Rundbrief an alle Ihre lieben Kollegen von der Konkurrenz geschickt, in dem es heißt,
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