Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
Dann heißt es Drinks aus dem Kühlschrank und Jerry Springer in der Glotze. So ist das heutzutage, Rebus. Keiner schert sich einen Dreck.«
»Keiner außer mir.«
»Keiner außer Ihnen. Haben Sie sich schon mal gefragt, woran das liegen könnte?«
Rebus schüttelte den Kopf. Er hatte nichts dagegen, dass Oakes redete: Wenn er redete, verbrauchte er Energie und Puste.
»Denken Sie nie darüber nach? Das liegt daran, dass Sie ein verdammtes Fossil sind, Mann. Alle wissen das - Sie, Ihre Vorgesetzten, Ihre Kollegen. Wahrscheinlich sogar Ihre Freundin Doktor. Was ist bloß mit der Frau los? Steht sie darauf, sich von Sauriern nageln zu lassen?« Oakes lachte wieder. »Falls es Sie interessiert, ich hab im Knast trainiert. Ich kann Ihren Arsch wie nix stemmen. Ich halt dieses Tempo bis übermorgen durch. Wie steht's mit Ihnen? Sie sehen ungefähr so fit aus wie eine ausgestorbene Spezies.«
»Manchmal kommt's bloß auf die innere Einstellung an.«
Sie liefen jetzt durch enge überwölbte Gassen, kamen auf der Causewayside raus.
»Wo gehen wir hin?«
»Sind schon fast da, Rebus. Ich möchte Sie ja nicht ermüden...« Er lachte. Auf der Causewayside waren noch Autos unterwegs. Rebus achtete darauf, dass man ihn mit dem Messer in der Hand sah. Vielleicht würde jemand an einer Telefonzelle stoppen oder einen Streifenwagen anhalten. Aber er wusste, dass die Chancen nicht besonders gut standen - nicht viele Streifenwagen in der Gegend. Wahrscheinlich auch keine Streifen zu Fuß. Die Leute würden nach Hause fahren und dann vielleicht die Polizei anrufen.
Und vielleicht würde jemand von St. Leonard's vorbeikommen und nachschauen.
Und dann würde es zu spät sein. Was immer gespielt wurde - er spürte, dass es genau jetzt zu seinem Abschluss kam. Aus irgendeinem Grund hatte es mit... nein, er wusste, wo sie waren. Am hinteren Ende des Salisbury Place: an der Kreuzung Salisbury und Minto Street.
»Hier war's doch, oder?«, fragte Oakes und blieb stehen, da auch Rebus stehen geblieben war. »Sie überquerte gerade die Straße...?« Sammy... überquerte gerade die Straße, als sie angefahren wurde. Zwanzig Meter die Minto Street runter.
Rebus starrte Oakes an. »Warum?«
Oakes zuckte bloß die Achseln. Rebus versuchte, sich wieder auf den jetzigen Augenblick zu konzentrieren. Nur der zählte jetzt; an Sammy konnte er später denken. Er durfte Oakes nicht länger gestatten, mit ihm zu spielen .
»Hat ihr einen ordentlichen Bums verpasst, hm?«, sagte Oakes. Er hatte die Hände in den Taschen, als wären sie bloß auf ein paar Worte stehen geblieben. Rebus konnte sich nicht erinnern, in welcher Tasche das Messer steckte. Seines hielt er, vorerst nutzlos, in der rechten Hand. Hatte die Straße überquert und... nicht die geringste Chance gehabt.
Ihm wurde bewusst, dass er seit dem Tag nach dem Unfall nicht mehr hier gewesen war. Er hatte den Ort gemieden.
Und irgendwie hatte Oakes gewusst, welche Wirkung der Ort auf ihn haben würde. Rebus blinzelte ein paar Mal, versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen.
»Sie sind bei ihr vorbeigefahren, stimmt's?«, fragte Oakes.
»Was?« Rebus kniff die Augen zusammen.
»Sie sind zur Wohnung Ihrer Freundin, wussten sofort, dass ich da gewesen war. Als Nächstes sind Sie zu Ihrer Tochter. Aber zu ihr rein sind Sie nicht, stimmt's?«
Es war so, als starrte er dem Teufel in die Augen. »Woher wissen Sie das?«
»Sie wären sonst nicht hier.«
»Warum nicht?«
»Weil ich da gewesen bin, Rebus. Vorher, heute Abend.«
»Sie lügen.« Rebus' Stimme war spröde, seine Kehle war rau. Versucht dich bloß abzulenken, dich zu überrumpeln, gleicher Trick wie bei Archibald ...
Oakes zuckte lediglich die Schultern. Sie standen an der Ecke.
Schräg gegenüber warteten zwei Autos nebeneinander vor einer roten Ampel. Auf der inneren Spur ein Taxi; daneben ein junger Raser, den Fuß auf dem Gaspedal. Der Taxifahrer beobachtete die Szene auf der anderen Straßenseite - eine Schlägerei kurz vor dem Ausbruch; nichts, was er nicht schon zigmal gesehen hätte.
»Sie lügen«, wiederholte Rebus. Er steckte seine freie Hand in die Tasche und zog das Handy heraus. Tastete die Nummer mit dem Daumen, hielt sich das Gerät dabei vors Gesicht, so dass er gleichzeitig Oakes im Blick hatte.
»Sie brauchte ihre Beine sowieso nicht«, sagte Oakes. Das Telefon klingelte. »Nimmt keiner ab, stimmt's?«
Schweiß rann Rebus in die Augen. Aber wenn er den Kopf geschüttelt hätte, um die Tropfen
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