Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
Die zwei Männer starrten sich gegenseitig an. Rebus bedeutete Davies mit einer Handbewegung, sich wieder hinzusetzen, aber stattdessen ging Davies zum Fenster. Rebus stellte sich in den bogenförmigen Durchgang zur Küche. Rough klappte Schränke auf und zu, ohne selbst so recht zu wissen, was er da tat und warum. Ihm war klar, dass Rebus hinter ihm stand, kehrte ihm aber weiterhin den Rücken zu.
»Jetzt haben Sie ja, was Sie wollten«, murmelte er.
»Was ich will, sind ein paar Antworten.«
»Komische Art zu fragen.«
Rebus steckte die Hände in die Taschen. »Wie lang sind Sie schon wieder hier?«
»Drei, vier Wochen.«
»DI Margolies haben Sie nicht zufällig gesehen?«
»Er ist tot. Ich hab's in der Zeitung gelesen.«
»Ja, aber vorher.«
Rough knallte eine Schranktür zu, drehte sich um und fuhr Rebus mit zitternder Stimme an. »Herrgott, was denn jetzt noch? Er hat sich doch umgebracht, oder?«
»Kann sein.«
Rough rieb sich mit einer Hand über die Stirn. »Sie glauben, ich...?« Andy Davies war schon zur Stelle. »Was, zum Teufel, ist jetzt schon wieder los?«
»Er versucht, mir was anzuhängen«, stieß Rough hervor.
»Hören Sie, Inspector, ich weiß nicht, was in Ihrem Kopf vorgeht -«
»Ganz recht«, gab Rebus scharf zurück, »Sie wissen es nicht. Warum halten Sie sich dann nicht einfach raus?«
»Ich kann nicht mehr«, jammerte Rough, den Tränen nah.
Jane Barbour kam vom Flur herein. Rebus sah ihren Blick: vier Teile Vorwurf auf einen Teil Enttäuschung. Er erinnerte sich daran, was sie ihm über Rough erzählt hatte. Der Mann schniefte jetzt, wischte sich die Nase mit dem Handrücken. Seine Knie sahen so aus, als wollten sie jeden Augenblick nachgeben. Der Handwerker war fast fertig, das Zimmer in entsprechendes Halbdunkel getaucht. Schraube um Schraube schien er einen Sarg immer fester zu verschließen.
»Hat DI Margolies Sie aufgesucht?«, beharrte Rebus. Rough fixierte ihn herausfordernd. »Nein.«
Rebus erwiderte den Blick, bis Rough wegsah. »Ich glaube, Sie lügen.«
»Dann knallen Sie mir doch ein paar.«
Rebus ging einen Schritt auf ihn zu. Der Sozialhelfer redete auf Barbour ein.
»DI Rebus«, sagte Barbour in warnendem Tonfall.
Rebus stand jetzt fast Nase an Nase mit Rough. Der hatte sich immer weiter in die Küche zurückgezogen: jeder Fluchtweg ausgeschlossen.
»Hat er Sie aufgesucht?«
Rough sah weg, biss sich auf die Lippe.
»Hat er?«
»Ja!«, schrie Darren Rough. Er ließ den Kopf hängen, fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Unablässiges Einhämmern von Nägeln in Holz. Er presste sich die Hände an die Ohren. Rebus zog sie möglichst behutsam weg. Sprach dann ruhig und leise.
»Was wollte er?«
»Shiellion«, stöhnte Rough. »Es ist immer nur um Shiellion gegangen.«
Rebus runzelte die Stirn. »DI Rebus...«Barbours Stimme klang immer angespannter.
»Was war mit Shiellion?«
Rough richtete den Blick auf Jane Barbour. »Sie haben ihm doch gesagt, was mit mir passiert ist.«
»Und?«, bohrte Rebus weiter.
»Er wollte wissen, warum sie mir die Augen verbunden hatten... fragte in einem fort, wer sonst noch da gewesen war.«
»Wer war sonst noch da, Darren?«
Mit zusammengebissenen Zähnen: »Ich weiß es nicht.«
»Und das haben Sie ihm gesagt?«
Ein langsames Nicken. »Hätte jeder sein können.«
»Jemand, den Sie nicht sehen sollten. Weil Sie ihn vielleicht kannten.«
Rough nickte. Seine Stimme klang ruhiger. »Das habe ich mich selbst oft gefragt. Vielleicht hätte ich... ich weiß nicht, eine Uniform oder so was wieder erkannt. Einen weißen Priesterkragen.« Er sah auf. »Vielleicht sogar einen von Ihrer Bande.«
Aber Rebus hörte schon nicht mehr zu. »Priesterkragen?«, sagte er.
»Callstone und Shiellion wurden von der Church of Scotland geleitet. Da gibt's keine Priester.«
Doch Rough nickte. »Wir hatten einen.«
Barbour hob, mit einem Mal neugierig, die Brauen. »Sie hatten einen Priester?«
»Kam eine Weile manchmal bei uns vorbei, dann blieb er weg. Ich mochte ihn gern. Pater Leary, hieß er.« Ein schwaches Lächeln.
»Sagte, wir sollten ihn Conor nennen.«
Als Rebus die Treppe hinunterstieg, schloss sich ihm Jane Barbour an.
»Was halten Sie davon?«, fragte sie.
Rebus zuckte die Achseln. »Warum interessierte sich Jim Margolies für Shiellion?«
Ihrerseits ein Achselzucken.
»Hatten Sie Jim erzählt, dass Rough dort missbraucht worden war?« Sie nickte. »Glauben Sie, dass das etwas mit seinem Selbstmord zu tun
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