Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
versuchte, sich an etwas festzuhalten, egal was es war. Vergeblich. Er schlitterte herunter, stieß wilde Laute aus, rief um Hilfe und knallte mit der rechten Hand, die er ausgestreckt hatte, um den Sturz abzumildern, aufs Pflaster und gegen den Zaun. Der Schmerz schoss ihm durch den Arm. Erst viel später fiel ihm ein, dass er im Handgelenk einen Knochen hatte brechen hören und sich deshalb bewusst gewesen war, dass er noch lebte. Der dunkelrote Volvo zögerte nur einen Moment, dann raste er mit jaulendem Motor unter einer Abgaswolke auf die Einfahrt zu und auf die Pomfret High Street hinaus.
    Hannah hatte den Ring übergestreift, aber er war für den Ringfinger ihrer schlanken Hand zu groß und saß besser am Mittelfinger. Das kam ihr wie ein Omen vor. Den Diamantring, den ihr Bal zur Verlobung geschenkt hatte, sollte sie tragen, aber nie durch einen Trauring ersetzen. Sollten sie je Kinder haben wollen, könnte sie diese auch ohne eine Heirat bekommen. Sie war viel zu jung, um sich über so etwas wie Erbschaftssteuern den Kopf zu zerbrechen, und bis dahin würde man das entsprechende Gesetz sowieso geändert haben. Nein, sie würde nie heiraten, dachte sie, während Damon die Treppe zum Polizeirevier herunterkam und auf dem Fahrersitz Platz nahm.
    »Sie hat eine Woche Urlaub, den sie bei ihrer Mutter verbringt«, erklärte Hannah. »Irgendwo in Godalming. Salterton Street. Weiß der Kuckuck, wo das liegt. Du wirst dich aufs Navi verlassen müssen.«
    Als Fan moderner Technologien war Damon von dieser Möglichkeit begeistert. Die Stimme aus dem Navigationsgerät, die fast wie Hannah klang, dirigierte ihn genau in die entgegengesetzte Richtung, die er ohne dieses Gerät eingeschlagen hätte. Glücklich seufzte er. »Diese Frau … geistert da nicht irgendwo ein durchgeknallter Freund herum, der unter Verfolgungswahn leidet und sich einbildet, sie würde noch andere Typen kennen?«
    »Du hast nichts zu befürchten«, meinte Hannah lachend. »Es geht nur um einen einzigen Typen. Und der befindet sich dort, wo ich herkomme.«
    Das Häuschen in einer Nebenstraße von Godalming war leicht zu finden; allerdings waren sie nicht schneller hingekommen, als wenn es Damon ohne Hilfe versucht hätte. Darauf bestand er. Eine uralte Frau bat sie herein, ein kleines knochendürres Hutzelweiblein in einem kurzärmligen Pullover und in Leggings, die einer zierlichen Zwölfjährigen gepasst hätten. Man mochte nur schwer glauben, dass es sich bei ihr und der großen kräftigen Bridget Cook um Mutter und Tochter handelte.
    »Wollen Sie wirklich, dass ich meinen Ring abziehe?« Beinahe wäre das Bridgets erster Satz gewesen.
    »Miss Cook, wir möchten ihn nur mit diesem Ring vergleichen«, beschwichtigte Hannah und hielt ihr auf der flachen Hand den Ring hin, den Selina Hexham Wexford geliehen hatte.
    »Ich weiß nicht, ob er runtergeht.«
    Bridget plagte sich mit dem Ring ab, drehte und zog daran und brachte ihn doch nicht über das angeschwollene Gelenk.
    »Lass mich mal versuchen, Schatz«, rief Mrs. Cook mit ihrer Piepsstimme. »Ich hab genau das Richtige. Wart mal ’ne Minute.«
    Ein Töpfchen Vaseline tauchte auf, der Finger wurde dick eingecremt, und endlich kam der Ring ins Rutschen. Mit einem letzten Ruck zog ihn Mrs. Cook ihrer Tochter vom Finger, und dann lagen die zwei Ringe nebeneinander. Jeder trug ein ziseliertes Blattmuster, das an einen Lorbeerkranz erinnerte. Zur genaueren Prüfung hob Hannah jeden nacheinander gegen das Licht. Unterdessen brachte die stets zuvorkommende Mrs. Cook eine Lupe. Für immer stand auf der Innenseite von Bridgets Ring, und bei Selina Hexhams dasselbe, zwei identische Versprechen, zur selben Zeit graviert, in derselben Kursivschrift.
    »Lass mal sehen.« Lily Cook fuchtelte mit ihrer Lupe herum. »Das hätte ich nicht mal mit meiner Brille sehen können. Also wirklich, das gibt’s doch nicht. Bridge, wem gehört der andere?«
    »Keine Ahnung«, sagte Bridget traurig. Es klang, als wäre einer ihrer Träume mit einem Schlag zerplatzt.
    »Darf ich ihn ausborgen, Miss Cook?«
    »Ich wusste, dass Sie das fragen würden.« Bridgets Stimme klang noch trauriger. »Ich muss ja, oder? Sagen Sie mir nur noch eines: Hat er ihn geklaut?«
    In gewisser Weise schon, dachte Hannah und sagte: »Das kann ich Ihnen nicht sagen.« Doch dann stieg plötzlich eine ungewohnte Emotion in ihr auf – Mitgefühl für eine Geschlechtsgenossin. »Wichtig ist doch nur, dass er Ihnen den Ring geschenkt hat. Er wollte,

Weitere Kostenlose Bücher