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Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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haben sie nie mit uns geredet. Zu mir hat Mama gesagt, nachdem er – also, nachdem er weg war, Kinder könnten schrecklich Angst bekommen, wenn sie glaubten, ihre Eltern wären knapp bei Kasse. In ihrer Fantasie wären sie dann heimatlos und müssten auf der Straße schlafen und Ähnliches. Dann habe ich mir wieder gedacht, Mama hätte nach Papas Verschwinden erwähnt, ob er solche Recherchearbeiten übernommen hatte. Und das – hat sie nicht getan.«
    »Wir haben uns gefragt«, meinte Wexford, dem wieder einfiel, dass Burden auf diese Idee gekommen war, »wir haben uns ferner gefragt, ob Ihr Vater etwas in Angriff genommen hatte, das ihm im Fall eines Erfolgs jede Menge Prestige beschert, ihn aber lächerlich gemacht hätte, wenn er damit gescheitert wäre. Verzeihung, aber anders kann ich es nicht formulieren.«
    »Ist schon in Ordnung. Das alles liegt bereits hinter mir. Trotzdem … ich weiß es nicht, ich weiß es einfach nicht.«
    Er nickte. »Gut.«
    An seiner Stelle schaltete sich Hannah ein, die bisher geschwiegen hatte: »Würden Sie uns Ihren Ring leihen?«
    Es kam keine begeisterte Antwort. Selina berührte den Ring und legte die Finger ihrer linken Hand darüber, dann zog sie ihn wortlos ab und reichte ihn Wexford mit einer hastigen Geste, wie es Menschen tun, wenn sie wissen, dass sie sich von etwas trennen müssen, was sie liebend gern behalten würden.
    »Danke. Es wird ihm bestimmt nichts geschehen.«
    Hannah stellte ihr eine Empfangsbestätigung aus, die Selina so seltsam musterte, als wäre dieses Stück Papier das Letzte, was sie zum Tausch für einen kostbaren Besitz erwartet hätte.
    »Guv, wofür wollen Sie den Ring haben?«, fragte Hannah, als sie im Auto saßen, und Donaldson gerade Croydon passierte.
    »Das weiß ich noch nicht so recht«, sagte er, was nicht ganz der Wahrheit entsprach. »Ist das Ihre Straße oder die nächste?«
    »Diese.«
    Sie stieg aus und lief die Haustreppe hinauf. Als Donaldson abfuhr, fiel Wexfords Blick auf ein Fenster ihrer Wohnung. Hinter den dünnen Vorhängen sah er die Umrisse von zwei Köpfen, Hannah und Bal. Er lehnte sich nach hinten gegen die Kopfstütze und dachte über die zwei Frauen nach, die sich Schwiegerweiber nannten. Sie hatten ihn nach Athelstan House eingeladen. Warum? Sie hatten ihm nichts erzählen wollen, was er nicht schon vorher gehört hatte, und wollten auch von ihm nichts erfahren. Dabei fiel ihm das Tablett mit den Keksen und dem offenen Topf mit Lemon Curd wieder ein. Ein unangenehmer Gedanke beschlich ihn. Wäre die Wespe, die sich daran gütlich getan hatte, auch gestorben, wenn Maeve sie nicht schon vorher zu Tode gequetscht hätte? Hatte sie deshalb das Insekt so schnell eingefangen und dabei sogar einen Stich riskiert?
    Dieses Lemon Curd war für ihn gedacht gewesen, auch wenn es sich dabei um eine bizarre Erfrischung mitten am Vormittag handelte. War der Gedanke an Gift zu weit hergeholt? Natürlich. Wahrscheinlich war er übermüdet und erschöpft. Jetzt merkte er, wie er den Ring in seiner Tasche betastete. Er hätte gut und gern ein Talisman sein können, von denen es in der Fantasy-Literatur nur so wimmelte, ein magischer Ring, der ihn unsichtbar machen oder ihm seinen Herzenswunsch erfüllen konnte. Vielleicht sollte er sich etwas wünschen.
    »Behüte Shamis Imran vor allem Leid«, murmelte er vor sich hin und fügte dann hinzu: »Was bin ich nur für ein Narr.«

24
    _____
    Matea wirkte irgendwie matt und niedergeschlagen. Ganz junge Menschen haben etwas Strahlendes an sich, das ab Mitte zwanzig langsam verblasst. Jane Austen hatte es »Jugendblüte« genannt. Bei Matea war diese Blüte angewelkt, ihre Augen waren trüb, ihre Haare hingen in schlaffen Strähnen herunter. Sie war zwar wie immer höflich, aber die bedrückte Art, mit der sie Wexford und Burden bediente, ließ Wexford fragen: »Matea, wie geht’s? Alles in Ordnung?«
    Man hätte über den Tonfall, mit dem sie »Gut« antwortete, lachen können, wenn es nicht so traurig geklungen hätte. Sie kam mit ihrem Naan-Brot und einem Krug Wasser zurück, bei dem sie die Eiswürfel vergessen hatte.
    »Ich frage mich, was in dieser Familie vor sich geht«, sagte Wexford. »Akande hat zwar das Sozialamt eingeschaltet, aber scheinbar gibt es nicht viel Handlungsspielraum. Nach Aussage von Mrs. Dirir ist Shamis am Tag nach ihrer Rückkehr ganz normal herumgerannt. Das hätte sie nicht tun können, wenn man sie erst vor Kurzem verstümmelt hätte.«
    Burden zog eine

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