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Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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nur ein Buch gelesen. Darin ging es über Esther und diesen Tyrannen, den sie geheiratet hat. Die einzige Figur, die mir gefallen hat, war dessen erste Ehefrau gewesen, von der er sich scheiden ließ, weil sie sich ihm widersetzt hatte. Apropos widerborstige Ehefrauen – gibt es etwas zu essen?«
    »Reg, bist du schon mal heimgekommen und hast nichts zu essen vorgefunden?«
    »War ja nur eine Frage«, meinte Wexford. »Willst du vorher noch einen Schluck trinken? Ich brauche unbedingt meinen obligatorischen Rotwein.«
    Später – sie war schon mit dem Sohn des Nun ins Bett gegangen – musterte er seine Bücherregale und fand den einzigen Tredown-Roman im Haus, Die Königin von Babylon . Hoffentlich nahm dieser Fall keine Wendung, die ihn dazu zwingen würde, noch mehr dieser Bücher zu lesen. Gegenüber der Titelseite standen Tredowns Werke aufgelistet: Der Sohn des Nun , Das biblische Volk , Die Witwe und ihre Tochter , Der erste Himmel . Dabei fiel ihm wieder ein, dass Letzteres als Tredowns Meisterwerk galt, für das er den sogenannten Fredrik-Gartensen-Fantasypreis gewonnen hatte. Das hatte Wexford irgendwo gelesen. Während er das Buch zuklappte und ins Bett ging, überlegte er, worum es in dieser Chronik gegangen war. Um welchen biblischen Völkermord, beziehungsweise um welche himmelschreiende Ungerechtigkeit.
    Inzwischen war er auf dem Weg zu einem Termin mit ebendiesem Autor. Es herrschte nur wenig Verkehr. Donaldson hatte sich statt der Kingsmarkham Road für die Landstraße entschieden. Sie fuhren über Nebenstraßen, wo sich das Laub an den dicht bewachsenen Rändern allmählich blassgold färbte und die Hecken unter den üppig wuchernden Samenständen der Gemeinen Waldrebe verschwanden. Auf den Wiesen weideten Kühe gemächlich im milden Sonnenschein, während ein glänzender Fuchs und ein Falbe mit fliegenden Mähnen hintereinander am Zaun einer großen Koppel entlangpreschten.
    »Hier könnte man schön mit einem Hund spazieren gehen«, sagte Wexford, »ins Tal hinunter und drüben wieder hinauf, bis zu den Downs.«
    Burden musterte ihn. »Du magst doch gar keine Hunde.«
    »Nicht sehr, aber für solche Dinge braucht man schließlich eine Ausrede.«
    »Du weißt, er ist todkrank.«
    »Wer?«
    »Tredown. Jenny hat es mir erzählt. Leberkrebs, glaube ich wenigstens.«
    Wexford sagte nichts. Er dachte über die Erkrankung nach.Viele von seinen und Doras Bekannten waren an Krebs erkrankt oder hatten diese Krankheit gehabt und überwunden. Trotzdem redeten alle anderen Leute, die verschont geblieben waren, noch immer von Krebs wie über ein Todesurteil. Als sei es das Ende der Welt und ein noch schlimmeres Schicksal als der Tod. Vermutlich würde auch das eines Tages der Vergangenheit angehören. Er registrierte, dass Donaldson ausstieg, um ein großes Einfahrtstor zu öffnen. Sie waren da.
    Die Auffahrt führte unter Bäumen mit tief hängenden Ästen durch. Zwischen ihren Stämmen konnte man linkerhand das tiefgrüne Grimble’s Field erkennen, das auch heute Vormittag wieder die gewohnte Spielwiese für einen Mann mit Hund abgab. Wie tot lag die Bungalowruine zwischen den immer näher rückenden Bäumen da, als wartete sie nur darauf, dass man sie aufhob und in ein eigenes Grab verfrachtete.
    Die Zufahrt zu Athelstan House mündete in eine breite Kiesfläche. Aus der Nähe betrachtet handelte es sich um ein wenig attraktives, großes Haus, dessen Einzelteile nicht recht zusammenpassten. Es bestand hauptsächlich aus rotvioletten Ziegeln, war mit leuchtend blaugrauen Dachpfannen gedeckt und hatte Fenster im neugotischen Stil, deren gelbbraunes Steingesims von einer Glockenleiste bekrönt wurde. Das dunkelbraune, mit schwarzen Eisennägeln beschlagene Portal mit geschwungener Zierklinke hätte auch zu einer Kirche gepasst. Wexford beschlich ein merkwürdiges Gefühl. Dieses Haus hatte eindeutig zu viele Farben, die nicht miteinander harmonierten. Das Ganze war ein wild zusammengewürfelter Mischmasch aus Braun, Lila, Blau und Blassgelb, den nicht einmal der üppige Hintergrund aus dunklem Grün und herbstlichen Goldtönen beruhigen konnte. In diesem Haus würde er nur sehr ungern wohnen, schoss es ihm durch den Kopf, und dann klingelte er auch schon.
    Ein Telefonanruf hatte Maeve Tredown bereits auf ihren Besuch vorbereitet. Trotzdem wirkte sie überrascht. Hatte sie zwei ganz anders aussehende Männer erwartet? Vielleicht Sherlock Holmes und Watson oder zwei uniformierte Operettengendarmen?
    »Kommen

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