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Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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erzählt. Ja, so müsste es gewesen sein.«
    Sie war wieder pathetisch geworden und suchte verzweifelt ihre Lügen zu kaschieren. Wexford wusste selbstverständlich, was das alles zu bedeuten hatte: Sie hatte das Schlüsselversteck höchstpersönlich entdeckt und es niemandem verraten, höchstens ihrem Mann. Die nächste Frage ließ sich nicht umgehen. Und das Resultat? Würde sie jetzt keinen Ton mehr sagen und sich in beleidigtes Schweigen flüchten?
    »Mrs. McNeil«, hob er in einem liebenswürdig-interessierten Tonfall an. So erkundigte sich vielleicht ein Gelehrter nach der Meinung eines Fachexperten. »Sie wussten also, wo der Schlüssel lag. Waren Sie nie versucht, sich einmal selbst dort drinnen umzusehen? Ich meine, im Rahmen Ihrer Beobachtertätigkeit. Ich stelle mir vor, dass Sie sich vielleicht vergewissern wollten, ob Mr. John Grimbles Eigentum nach wie vor unversehrt war.«
    Sie lächelte – zum ersten Mal. »Na, selbstverständlich. Sie haben absolut recht. Genauso habe ich es empfunden. Ich bin hinein, und mein Mann auch. Bisher habe ich das nicht erwähnt, weil sich die Leute bei solchen Dingen immer das Schlimmste zusammenreimen. Mein Mann und ich – wir haben sogar überlegt, ob wir nicht den Schlüssel mitnehmen und ihn bei uns sicher aufbewahren sollten, haben dann aber nach sorgfältigem Abwägen entschieden, dass man damit die gute nachbarschaftliche Beziehung überstrapazieren würde.«
    Er musste sie unbedingt nach dem Keller fragen, aber vorher musste er ihr noch ein wenig schmeicheln. Es gibt Menschen, die jedes Maß an Schmeichelei vertragen. Politiker gehören angeblich dazu, und auch kleine Landadelige, besonders solche, die eine Stellung in der Grafschaft verloren haben, die ihre Ahnen noch genießen konnten, und die außer dem verzweifelten Festklammern am Rand der oberen Mittelschicht keine Stellung mehr haben. Seiner Ansicht nach konnte er Irene McNeil ruhig noch ein wenig Honig um den Mund schmieren, ohne ihren Argwohn zu erregen. Burdens insistierenden Blick ignorierte er. »Mrs. McNeil, in unserer unbelehrbaren Zeit begegnet man höchst selten einem solchen Maß an Rechtschaffenheit. Haben Sie in diesem Haus je etwas gefunden, was Ihnen das Gefühl gab, ihre … äh, Nachforschungen wären berechtigt gewesen?«
    Dieser Hieb saß, auch wenn er nur sehr sachte geführt worden war. Er erkannte, dass er sich dem springenden Punkt näherte, denn Irene McNeil bat: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir ein Glas Wasser zu holen?«
    Wexford und Burden überließen sie sich selbst und gingen in die winterweiße Theaterbühne in Form einer Küche. Wer hier einmal gewesen war, mochte gerne glauben, dass Irene McNeil nie etwas Warmes aß. Ein Gaskochfeld sah immer noch so aus wie einst im Küchenstudio. Burden öffnete den Wasserhahn und füllte ein Glas.
    »Mike, lässt du uns bitte allein?«, bat Wexford. »Das ist nicht gegen dich persönlich gerichtet, aber vielleicht komme ich weiter, wenn wir unter vier Augen sind, nur sie und ich.«
    »Ist mir ein Vergnügen. Soll ich im Haus bleiben?«
    »Kannst du gern.«
    Wexford nahm das Glas mit und gab es ihr. Als sie es nahm, merkte er, wie ihre große gichtige Hand zitterte. »Mrs. McNeil, sind Sie zufällig jemals dort im Keller gewesen?« Wie sehr doch dieses »zufällig« die Frage abfederte und daraus ein beiläufiges Sich-Erkundigen machte.
    Ihr schlechtes Gewissen machte sie gereizt. »Gibt es irgendeinen Grund, warum ich das nicht hätte tun sollen?«
    Einen einzigen: Weil Sie sich eigentlich gar nicht in diesem Haus hätten aufhalten dürfen. »Ich wundere mich einfach nur, warum Sie die Kellertür zugemacht haben.«
    »Weil ich …« Als ihr dämmerte, was sie damit eingestanden hatte, schlug sie die Hand vor den Mund, starrte ihn einen Moment entsetzt an und fing dann an zu heulen. Ihr ganzer Körper bebte vor Schluchzen. Endlich bewegten sich ihre Hände. Sie hob sie, als wollte sie um Gnade bitten.
    Er hielt ihr das Wasser an die Lippen, aber sie stieß es wie ein zorniges Kind so heftig von sich, dass sich alles über sein Jackett und sein Hemd ergoss. Nur mit äußerster Willenskraft gelang es ihm, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn das eiskalte Wasser geschockt hatte. »Mrs. McNeil«, sagte er, »das ist doch nicht nötig. Sie müssen sich keine Sorgen machen.« Vielleicht aber doch. Woraus konnte er schließen, ob es sich um einen hysterischen Anfall handelte oder um die Beichte einer Todunglücklichen? Da er in der

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