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Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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in diesem Stil miteinander.
    Einige Schilderungen von einer prähistorischen Erde fand er durchaus gelungen. Es waren grandiose Bilder, denen man anmerkte, dass sich hier eine ungeheuer fruchtbare Fantasie ausgetobt hatte. Leider fanden diese Szenen kein Ende und verzettelten sich manchmal bis ins kleinste Detail. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er ganze Abschnitte übersprang. Als Tredown begann, Baal, Astaroth und Dagon zu beschreiben, holte der Chief Inspector sich ein zweites Glas Wein und gesellte sich zu Dora. Er hatte erst eine Viertelstunde von Wenn die Gondeln Trauer tragen verpasst. Weil er aber den Film schon kannte, war das nicht weiter schlimm.
    Gegen zwei Uhr morgens wachte er vom ersten Ansatz eines Gedankens auf, der im wachen Zustand immer weiter gedieh und üppige Formen annahm. Was wäre, wenn Hexhams Ziel an jenem verregneten Nachmittag Athelstan House gewesen wäre? Wenn er sich mit Tredown hätte treffen wollen, um für ihn zu recherchieren? Vielleicht hatte Tredown für zwei Themen einen Berater gesucht: für mythische Gottheiten und prähistorische Kreaturen. Vielleicht auch noch für mehr. Und obendrein benötigte er ein Grundwissen in Biologie und über die Entstehung des Lebens.
    Wexford hatte Hexhams handschriftliche Notiz so oft gelesen, dass er sie inzwischen auswendig konnte. »Recherchieren? Korrekturlesen? Redigieren?« Und darüber eine Namensliste von Verlagen und Autoren. Tredown war nicht darunter gewesen, aber das hieß nicht viel. Als Hexham diese Liste erstellt hatte, hatte er vielleicht noch nie etwas von Tredown gelesen. Und wenn doch? Angenommen, er hätte bei Tredown Unstimmigkeiten und Anachronismen entdeckt? Vielleicht hatte er sich gedacht, dass gerade dieser Autor unbedingt Beratung bräuchte, und hatte ihm seine Dienste angeboten. Diese Theorie hatte nur einen Haken: Hexham wäre zwar der ideale Berater für prähistorische Fauna und die Gottheiten in Der erste Himmel gewesen, aber ein Experte in biblischer Geschichte war er nach Wexfords bisherigen Erkenntnissen nicht. Das Bild, das seine Tochter von ihm gezeichnet hatte, ließ dies höchst unwahrscheinlich erscheinen.
    Ganz anders sah es allerdings aus, wenn Hexham in einem Brief an Tredown Korrekturvorschläge für dessen Schilderung des Baalkults oder der Dagonrituale gemacht hätte, zwei Figuren aus Die Königin von Babylon, und ihm Unterstützung bei diesen Themen angeboten hätte. Vielleicht hatte Tredown diesen Brief beantwortet und Hexham von seinem ehrgeizigen Romanprojekt erzählt, in dem er die Evolutionstheorie mit der Mythologie des Zweistromlandes verknüpfen wollte. Und dass er dabei die Dienste eines Rechercheurs sehr schätzen würde. Diese Rekonstruktion gefiel Wexford, auch wenn sie Lücken aufwies. Mit Recherchen ließe sich zwar Hexhams Tätigkeit in dieser winzigen Abstellkammer erklären, aber nicht seine Geheimniskrämerei. Einige Menschen liebten allerdings Geheimnisse, auch wenn es sich nur schwer rechtfertigen ließ, dass man eine derart unschuldige Tätigkeit vor einer geliebten Ehefrau geheim hielt.
    Vielleicht kannte Selina oder Vivien die Antworten.

19
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    Jeder Mensch hat ein Telefon, sagte Lyn sich vor, egal was ihm sonst fehlt. Ein Telefon hatten alle. Heutzutage besaßen selbst Dauercamper Handys. Nach einer Marathonsitzung vor ihrem Computer, bei der sie sich zerstreut aus einer Tüte mit zuckerfreien Süßigkeiten auf ihrem Schoß bediente, hatte Lyn unter den Männern auf der Liste gerade mal zwei Telefonnummern gefunden. Die eine gehörte zu einer Adresse in Stockton-on-Tees, die andere zu einer in Penzance. Inzwischen war sie nicht mehr sehr überrascht, als sich beide Male eine Frau meldete. Im ersten Fall – es handelte sich um einen gewissen William Green –entpuppte sich die Frau mit der uralten Stimme als seine Tante. Natürlich – diese Männer waren entweder ständig unterwegs gewesen oder hatten irgendwo kampiert. Als Adresse würden sie höchstens Verwandte angeben und auch dabei garantiert nur weibliche, dachte Lyn. Männer neigten zu einem wilden ungebundenen Vagabundenleben, während sich Frauen an ihr Zuhause klammerten. Das war keine sexistische Ansicht; in diese Falle tappte Lyn nicht, dazu hatte Hannah sie viel zu gründlich geimpft. Der Wunsch nach einem eigenen Platz, nach einem Nest, einem Zufluchtsort, war gut, klug und vernünftig.
    William Greens Tante, die Witwe seines Onkels, die ebenfalls Green hieß, konnte ihr nur sehr wenig über

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