Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote

Titel: Inspector-Wexford 22 - Der vergessene Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
Vom Netzwerk:
geändert. Inzwischen teile sie seine Ansicht. Man müsse diesen Mann unbedingt finden; allerdings sei sie trotzdem froh, dass man die Todesstrafe für immer abgeschafft hatte. Später fragte er sich, wie sehr er ihrer Aussage glauben sollte, dass sie sich an die Fachzeitschrift und den Kommentar ihrer Mutter erinnerte. Konnte jemand tatsächlich so ein gutes Gedächtnis haben? Wahrscheinlich hatte Selina alles nur erfunden, vielleicht unbewusst, um ihn bei der Suche nach einem Verbrecher zu unterstützen.
    Sie folgten ihrem Wagen die kurze Auffahrt unter den tropfenden Bäumen hinauf. Maeve Tredown war keine gute Autofahrerin und saß unsicher und eindeutig nervös am Steuer. Beinahe wäre sie mit ihrem alten Volvo seitlich am Stamm einer mächtigen Kiefer entlanggeschrammt. Vor der Eingangstür würgte sie den Wagen ab, dass es nur so ruckelte. Die merkwürdigen Hausfarben, die schrägen Gelb- und Rottöne, wirkten im strömenden Regen heller. Sie öffnete die Fahrertür und beugte sich hinaus, um zu sehen, wer zu Besuch gekommen war.
    »Guten Morgen, Mrs. Tredown«, rief Wexford. »Vielleichtsollten wir am besten gleich hineingehen.« Er hatte irgendein fadenscheiniges Argument erwartet, aber sie stieg rasch aus, knallte die Tür zu und ließ sie ins Haus. »Wie geht es Ihrem Mann?«, erkundigte er sich, als sie drinnen waren.
    »Morgen bringt man ihn in ein Hospiz«, sagte sie. »Es besteht keine Hoffnung mehr.« Dabei klang sie ganz fröhlich. Genauso gut hätte sie sagen können, es gäbe keinen Grund zur Besorgnis. »Ich dachte, ein Hospiz sei ein Ort, wo Mönche mit Bernhardinerhunden leben, aber das hat sich offensichtlich geändert.«
    Während sie vor ihnen durch den dunklen Gang ging, vorbei an dem Durcheinander aus Mänteln und Schuhen, konnte Wexford ihr Vanilleparfüm riechen. Im Vorübergehen warf sie ihren Regenmantel auf einen Haken. Diesmal empfing man sie nicht in dem düsteren Wohnzimmer. Stattdessen betraten sie eine Art Landhausküche, wo Tredown mit der Pfeife im Mund in einem Lehnstuhl vor einem offenen Feuer lag. Die Füße hatte er auf einen zweiten Sessel gelegt. Trotz der unerträglichen Hitze war er in Decken eingewickelt. Am anderen Ende des Raums, im Kochbereich, stand Claudia Ricardo vor einem Aga. Offensichtlich kochte sie Lemon Curd. Der ganze Raum roch nach einer Mischung aus Zitronen und brennendem Salbei.
    »Hier drinnen ist es bestimmt sehr heiß«, sagte Tredown, wobei er die Pfeife aus dem Mund nahm, aber nicht den Kopf hob. »Leider friere ich derzeit ständig. Vielleicht solltest du die Herren in den Salon bitten, Em.«
    »Bitte, Mr. Tredown, machen Sie sich wegen der Hitze keine Gedanken«, wandte Wexford ein. »Wir würden uns gerne auch mit Ihnen unterhalten.«
    »Dann nehmen Sie eben Platz.« Maeve Tredown war so barsch wie ihr Mann höflich.
    »Cee, würdest du uns Kaffee oder Tee machen?« Anscheinend hielt es Tredown für sicherer, diese Bitte an seine Exfrau zu richten anstatt an seine jetzige. Vielleicht tat er es aber auch nur, weil Claudia sowieso gerade kochte. Als Zeichen der Zustimmung winkte sie mit einem Holzlöffel. »Mr. Wexford, was wollten Sie mich fragen?«
    »Soweit ich weiß, haben Sie einmal einen Mann namens Dusty beschäftigt.«
    Tredown legte die Pfeife in eine Untertasse und wandte Wexford seinen gelben ausgemergelten Schädel zu, während er die Hände nach den Flammen ausstreckte. »Ich vergesse so vieles«, sagte er. »Lassen Sie mich nachdenken. Em, haben wir das?«
    Maeve Tredown antwortete mit steinerner Miene: »Er hat dich gefragt. Warum antwortest du nicht? Du weißt ganz genau, dass es so war.«
    Ganz langsam sagte Tredown: »Vermutlich habe ich ihn nie zu Gesicht bekommen.« Er rang sich ein Lächeln ab, das Grinsen eines Totenschädels. An seinem Gesicht war kein bisschen Fleisch mehr, nur noch die Haut spannte sich über den Schädel. »Wissen Sie, ich habe immer nur gearbeitet. Oben. Gearbeitet.«
    »Du meinst, geschrieben hast du, Owen. Warum sagst du nicht ›geschrieben‹?«
    »Weil das Arbeit ist. Es ist meine Beschäftigung.« Er gab einen Laut von sich. Wexford konnte nicht unterscheiden, ob er geseufzt oder eingeatmet hatte. » War meine Beschäftigung.«
    Das nicht zu identifizierende warme Gebräu, das ihnen Claudia Ricardo in dicken Keramikbechern servierte, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Getränk von Mrs. McNeils Greg. Wexford konnte nicht erkennen, ob es sich um Tee oder Kaffee handelte. Bei einem flüchtigen Blick

Weitere Kostenlose Bücher