Inspektor Bony 24 - Bony und die Maus
schlagen sich nun so mit Fleisch voll, daß Abie wieder eine Woche zu nichts zu gebrauchen ist, und mir paßt es gar nicht, ohne Fährtensucher dazusitzen.«
»Na, jetzt ist doch alles ganz ruhig«, warf der Fleischer in gemütlichem Ton ein, »kein neuer Mord oder dergleichen.«
»Das stimmt allerdings – kein neuer Mord oder dergleichen«, gab ihm der Wachtmeister recht. »Vorläufig.«
»Sie meinen, es wäre noch einer zu erwarten?«
»Jederzeit, Fred. Wenn ein Mörder erst angefangen hat, hört er nicht auf.«
»Sehr richtig«, meldete sich Melody Sam, »aber bei den bisherigen Mordfällen waren die Eingeborenen auf Wanderung, und jetzt bleiben sie erst mal für ein bis zwei Wochen hier. Also wozu sich Gedanken machen? Wir haben ja Nat Bonnar bei uns, falls Abie sich nicht blicken läßt – von dem halte ich sowieso nicht viel, auch nicht von seinen Stammesbrüdern.«
Harmon kaute verdrießlich auf einem Grashalm. Joyce hatte seinen Hut auf den Hinterkopf geschoben und kniff in der grellen Sonne seine grauen Augen zusammen.
»Ich glaube, daß Nat uns mehr über diese Strandschuhspuren erzählen könnte als die Eingeborenen«, fuhr Melody Sam fort. »Das heißt, falls noch mal ein Mord passiert.«
»Und der wird passieren«, knurrte Harmon. »Das steht fest. Aber ich bin darauf vorbereitet. Ich schnappe mir sofort Tony Carr, wenn’s so weit ist.«
»Ach, lassen Sie doch den Jungen zufrieden«, widersprach Joyce. »Der mag mal früher ein hoffnungsloser Fall gewesen sein, aber seitdem er bei mir ist, hat er nichts Schlechtes getan.«
Das Schweigen nach diesen Worten ließ erkennen, daß die drei hofften, der Wachtmeister werde noch mehr erklären. Als das nicht geschah, sagte Bony: »Es kann doch sein, daß sich gar kein Mord mehr ereignet. Weshalb glaubt man hier eigentlich, es müßte noch einer kommen?«
»Das liegt an dem Buch ›Berühmte Mordfälle‹, das der Wachtmeister hat«, antwortete Melody Sam. »Da steht alles drin. Serienmorde nennt man das, wenn einer mehrere Leute umbringt. Der fühlt sich nach jedem wer weiß wie groß und macht dann immer auf dieselbe Art weiter.«
»Aber gerade das hat doch unserer hier nicht getan«, hielt Joyce ihm entgegen, und der Wachtmeister ging gleich auf das Thema ein.
»Er braucht es nicht unbedingt jedesmal auf dieselbe Art zu machen«, sagte er, »denn was ihn befriedigt, ist die Tatsache, daß er durch eine Waffe Menschen vernichten kann, ob’s ein stumpfer Gegenstand oder ein Messer ist. Mörder sind Leute, denen die Welt zuwider ist. Meistens fangen sie an mit Schlägereien auf der Straße, machen Überfälle, zertrümmern Kneipen und so weiter, und wenn sie dann bei einer Schlägerei erst mal Blut gerochen haben, werden sie wie Tiger. Und aus diesem Grunde gibt’s in Daybreak nur einen, dem so was zuzutrauen ist: Tony Carr. Auf den paßt alles, was ich eben gesagt habe.«
»Na, ich glaube trotzdem, Sie täuschen sich«, sagte Joyce und drehte seinen Körper, um sich von dem Balken gleiten zu lassen. »Wir sehen uns ja später noch, jetzt muß ich an meine Arbeit.«
»Das will ich lieber auch tun«, sagte Melody Sam. »Sie können noch hierbleiben, Nat, wenn Sie wollen. Sie haben Ihre Arbeit ja fertig, und Gäste kommen heute vormittag nicht.«
Er sprang vom Zaun, zwinkerte Bony zu, machte kehrt und schritt aus dem Hof, kerzengerade, die Schultern gereckt. Er hätte noch jedem die Zähne einschlagen können, der etwa behauptete, Sam Loader jemals als jämmerliches Opfer des Alkohols gesehen zu haben.
Der Wachtmeister sagte: »Der Graue ist mir immer noch zu tückisch, Nat. Ich würde ihn erschießen, wenn er nicht diese wunderbare Gangart hätte. Aber man muß ihn dauernd scharf im Auge behalten.«
»Tut mir leid, wenn ich Sie nicht zufriedengestellt habe, Mr. Harmon.«
»O nein, Nat, das meinte ich damit nicht. Ich bin ganz zufrieden, Sie haben bei diesem Banditen von einem Pferd tatsächlich Wunder vollbracht. Aber Sie wissen ja, daß manche nie so werden, wie sie sein sollten. Genau wie manche Menschen, bei denen Freundlichkeit ebenso wie Strenge reine Zeitverschwendung ist. Wollen Sie ihn noch weiter bearbeiten?«
»Wenn Sie es wünschen«, erklärte Bony sich bereit, obwohl er nur zu gut wußte, daß manche Leute, mögen sie im Sattel auch gut aussehen, für jedes Pferd ungeeignet sind. Männer wie Harmon besitzen nicht die Fähigkeit, sich in die Welt eines Pferdes einzuleben. Und nur wer die hat, kann die innere und äußere
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