Inspektor Bony 24 - Bony und die Maus
trug. Es war fünf Uhr zwanzig, und den großen Herd in der Küche brauchte er erst um sechs gereinigt und angezündet zu haben.
Obwohl die Sonne noch nicht über den Horizont war, war es taghell, als er nach gemächlichem Rasieren und Duschen wieder in sein Zimmer gehen wollte. Schon nach ein paar Schritten blieb er auf dem Hof stehen, denn dort sah er ganz deutlich die Abdrücke von Strandschuhen Größe 42, genau denen gleich, die er kürzlich zur Probe mit Harmons Gipsabgüssen gemacht hatte.
Vor Erregung und Spannung rann ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Er kniff die Augen zusammen, dann öffnete er sie weit. Er pfiff leise, seine Nasenflügel bebten und dehnten sich, als müßte er den Mann wittern können, der nachts diese Fährte hinterlassen hatte.
Die Spuren führten zum Zaun an der Rückseite des Hofes, in möglichst weiter Entfernung von Bonys Zimmertür. Er verfolgte sie nicht bis dahin, sondern in der entgegengesetzten Richtung, bis zu einer Nebentür des Hotelgebäudes, an der zu beiden Seiten die Fenster von Gästezimmern lagen. Von da schlich er ans zweite Fenster rechts. Er hatte erkannt, was die Spur im Hof bedeutete.
Jener Mann in Strandschuhen war über den Zaun in den Hof geklettert und vor dieses Hotelzimmer geschlichen. Er hatte den Schläfer geweckt und ihn – oder sie – veranlaßt, die Nebentür zu öffnen. An der Tür aber hatte es einen Kampf gegeben, und danach war der Mann fortgelaufen und über den Zaun zurückgeklettert.
Und hinter dieser Tür lag ohne Zweifel das vierte Opfer.
Er schleuderte das Handtuch und die übrigen Sachen durch die offene Tür in sein Zimmer, lief über die Straße und weckte Harmon, denn Wachtmeister Harmon war hier im Ort und auf einem Gebiet von Hunderttausenden von Quadratmeilen der einzige Vertreter der Justiz. »Kommen Sie, unser Mann war diese Nacht auf dem Hof des Hotels.«
Harmon war so erschrocken, daß er sofort, ebenfalls nur spärlich bekleidet mit Bony hinüberlief. Auf dem Hof erklärte Bony ihm den Weg des Mörders und teilte ihm mit, was sie hinter jener Tür zu erwarten hatten. »Wer bewohnt dieses Schlafzimmer?« fragte er.
»Weiß nicht«, sagte Harmon gereizt. »Melody Sam schläft im letzten auf dieser Seite.« Er ging vor die Nebentür, konnte aber in dem Wirrwarr von Spuren keine anderen als die von Strandschuhen entdecken. »Zum Donnerwetter, wenn er hier draußen einen umgebracht hat, müssen dessen Beine die ganze Zeit den Boden nicht berührt haben!« sagte er.
Es gelang ihm, mit Daumen und Zeigefinger den Türgriff zu drehen, ohne den dicken, runden Knauf direkt anzufassen. Langsam drückte er die Tür nach innen. Leise schwang sie zurück und gegen die Wand. Vor ihnen, in dem kurzen, fast dunklen Korridor, lag, kaum sichtbar, ein Mensch am Boden.
Bony war dem Wachtmeister gefolgt, der sich über die Frau beugte. Kat Loader! Ein flüchtiger Blick genügte ihnen, um zu erkennen, daß sie schon seit mehreren Stunden tot war.
»Holen Sie Sam«, schnauzte Harmon.
»Moment«, flüsterte Bony. »Hier können wir nichts mehr ausrichten, aber den Spuren müssen wir folgen, solange sie noch frisch sind und ehe Wind aufkommt. Ich werde Sam holen, doch wir dürfen hier keine Zeit vertrödeln.«
Melody Sam saß aufrecht im Bett und rauchte seine erste Morgenpfeife mit schwarzem Tabak. Er war ehrlich erstaunt, Bony einfach eintreten zu sehen. Seine Miene zeigte, daß er Trauriges brachte. »Es ist wieder ein Mord passiert, Sam«, sagte er. »Im Hotel hier. Ihre Enkelin Kat – sie liegt draußen im Flur. Wir müssen jetzt den Täter verfolgen. Er ist über den hinteren Zaun entwichen.«
Im Schlafzimmer waren die Fensterläden noch zu, doch die Sonne erhellte es auch so. Die Augen des alten Mannes wurden fast schwarz. Behutsam legte er die heiße Pfeife in den Aschbecher neben seinem Bett. Langsam nickte er. Bony trat beiseite, damit er aus dem Bett aufstehen konnte.
Sams Stimme zitterte nicht, als er sagte: »Diesmal, Nat, knalle ich den ersten Kriminalbeamten nieder, der nach Daybreak kommt. Sie und ich, wir beide werden den Mörder schnappen, Nat, und ihn an einem Pfefferbaum aufhängen. Wo ist sie?« Melody Sam stand mit finsterer Miene schwankend vor Bony, der nüchtern sagte: »Sie brauchen jetzt Ihren klaren Verstand, Sam. Bleiben Sie bei der Toten, während ich den Kerl verfolge, und wenn es über den Ozean sein müßte.«
Er ging vor Bony in den Korridor und betrachtete einen Augenblick die Tote. »Wie hat er
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