Inspektor Bony 24 - Bony und die Maus
Maßstab gehaltene Wandkarte des riesigen Distrikts zu studieren. Ortsnamen gab es da nur wenige, aber viele große weiße Flächen. Nur an der Straße nach Laverton waren ein paar Gehöfte und Brunnen eingezeichnet. Diese Straße bildete den einzig möglichen Fluchtweg von Daybreak aus.
Langsam sagte Bony: »Morgen bei Sonnenaufgang wird sich Iriti mit den meisten seiner Leute auf den Weg nach Daybreak machen. Einem Wachtposten auf dem Förderturm müßten sie etwa zwischen halb elf und elf Uhr ins Blickfeld kommen. Ich werde dort sein. Sie können von Ihrem Hof aus bis zum alten Schacht sehen, also auch mich beobachten. Wenn ich winke, heißt das, daß Iriti ankommt. Dann werden Sie Melody Sam und Thurley hier in Ihr Büro holen und mit ihnen warten, bis ich komme. Aber keinen außer diesen beiden – das merken Sie sich. Sie können ihnen ja sagen, es handle sich um eine Dienstsache, etwa Carrs Flucht. Klar?«
»Jawohl. Aber wie ist es mit – «
»Keine weiteren Fragen, Harmon. Kein Gespräch mehr und keine Maßnahme, bis Sie mich vom Förderturm winken sehen.«
»Wollen Sie nicht noch ein Weilchen mit mir aufbleiben, Nat?« schlug Sam vor. »Ich mag noch nicht zu Bett gehen.«
Bei Tagesanbruch brachte Bony Sam den gewohnten Morgentee, dann erledigte er seine täglichen Aufgaben. Er hatte gehofft, nach dem Frühstück mit Esther Harmon sprechen zu können, was jedoch durch Harmons Dazwischentreten verhindert wurde.
»Mir ist, als hätte ich das alles gestern abend geträumt«, sagte Harmon. »Ist Ihr Plan denn noch gültig?«
»Ja. Ich wiederhole: Sie halten scharf Ausschau zum Förderturm hin. Dort werden Sie mich sehen, und sobald ich winke, holen Sie Sam und den Posthalter in Ihr Zimmer.«
Der Hengst verlangte ungeduldig einen scharfen Galopp, und Harmon wurde, wie jedesmal, neidisch, als er beobachtete, wie rasch und elegant Bony in den Sattel kam und das Pferd an der Kandare hatte. Der Graus bäumte sich zornig, bekam einen scharfen Schlag mit dem Endstück des Zügels, und dann erlaubte ihm Bony, in vollem Galopp durch die Hauptstraße zu jagen – beobachtet von Harmon an seinem Hoftor, von Fred Joyce vor seinem Laden, von Schwester Jenks vor ihrer Haustür und den Kindern, die gerade in einer Kolonne in die Schule marschierten.
In scharfem Tempo ritt er den Berghang hinab bis nach Dryblowers Fiat, um noch bei Elders vorzusprechen. Er war erfreut, daß der Alte mit seinem Partner zum Goldwaschen unterwegs war, und noch erfreuter, als er von Joy zum Morgentee eingeladen wurde.
»Janet ist mit Vater gegangen, Nat«, sagte sie. »Haben Sie von Tony wieder gehört?«
»Ja und nein. Es wäre denkbar und doch eigentlich nicht«, neckte er sie. »Wollen Sie mir eine Frage beantworten?«
»Los, fragen Sie.«
»Na schön, ich will’s tun. Lieben Sie Tony Carr?«
Sie antwortete schlicht: »Ihn mehr zu lieben, als ich es tue, wäre gar nicht möglich.«
»Warum lieben Sie ihn denn so sehr?«
Joy furchte die Stirn, dann lächelte sie und antwortete: »Ich weiß jetzt, warum. Weil er es nicht über sich brachte, mir wegen des Splitters den Fuß aufzuschneiden.«
Verständnisvoll nickend, aß Bony seinen Kuchen.
»Erzählen Sie mir doch von ihm, Nat«, bat das Mädchen.
»Folgendes kann ich Ihnen sagen, Joy – Tony ist nicht so weit fort, wie Sie annehmen.« Indem er auf den Schatten vom Dach blickte, der quer über den ungehobelten Tisch fiel, fuhr er fort: »Die Sonne zeigt mir, daß es kurz vor zehn Uhr ist, und wir haben noch viel Arbeit vor uns. Meinen Sie, daß Sie auf diesem Pferd hinter mir durchhalten können?«
Wieder ein kleines Stirnrunzeln, dann nickte das Mädchen.
»Ich möchte nämlich, daß Sie mich zum alten Förderturm begleiten«, ergänzte Bony, »und nachher sollen Sie in die Stadt gehen und dort für mich etwas erledigen. Und für Tony.«
»Lassen Sie uns sofort losreiten, ja?«
20
Im Schatten des Förderturms glitten sie vom Pferd. Bony kletterte in dem uralten Balkengerüst empor und spähte in die Umgebung. Aus der erwarteten Richtung sah er keine Eingeborenen kommen, doch in weiter Ferne über dem Horizont, parallel mit einem Hügelrücken, stiegen zwei Rauchsäulen in Abständen gen Himmel.
Als Bony vom Turm herunterkam, wollte Joy wissen, was er da oben vorgehabt hatte. »Alles schön der Reihe nach«, antwortete er. »Ich erwarte Besucher. Jetzt hören Sie bitte mal ganz genau zu, was Sie für mich tun sollen«, sagte er. »Sie warten hier, bis Sie mich mit dem
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