Inspektor Bony 24 - Bony und die Maus
das nächste Hotel hundertfünfzig Meilen von hier in Laverton liegt«, stimmte Bony ebenso sachlich zu, wie sie gesprochen hatte. »Was sagt der Wachtmeister dazu?«
»Was kann der machen? Nach dem Gesetz haben wir das Hotel offenzuhalten und Speise und Trank für Mensch und Tier anzubieten. Na, geöffnet haben wir ja. Das Gesetz zwingt uns nicht, Wein, Schnaps und Bier zu servieren. Wir haben für die Gäste Essen bereit und Tee und Kaffee, für die Pferde Heu und Wasser. Zufällig ist noch etwas Wein und Schnaps hier oben. Das Gesetz schreibt dem Wirt nicht vor, daß er Bier verkaufen muß, und wenn er sich mit seinem eigenen vollaufen läßt und sich dazu auf eine Kiste Dynamit setzt, so kann ihm das kein Gesetz verbieten.«
»Da könnten Sie recht haben«, gab Bony zweifelnd zu.
»Oh, ich weiß genau, was ich sage.«
»Aber man kann doch sicher Melody Sam daran hindern, das Haus zu Kleinholz zu machen!«
»Wie denn?« hielt die Frau ihm entgegen. »Angenommen, ich ließe das zu – wer würde es wagen, da ‘runterzugehen? Von meinen Bekannten keiner. Nicht mal der Wachtmeister würde es riskieren. Auch Sie nicht, jedenfalls nicht mehr, sobald Sie gesehen haben, wie Sam dann gleich ein brennendes Streichholz an eine kurze Zündschnur hält. Nein, das wagt keiner, auch wenn ich die Erlaubnis geben würde. Es wagt nicht mal einer, wenn Sam seine Tour hat, hier in die Gaststube zu kommen. Wollen Sie bleiben?«
»Wenn Sie diese Aufregung aushaken können, kann ich’s auch«, erwiderte Bony. »Immerhin sind’s ja bis zum Abendessen noch beinah zwei Stunden, da kann ich doch ebensogut hierbleiben und Ihnen Gesellschaft leisten.«
»Nett von Ihnen. – Kommen Sie von weither?«
»Von Hall’s Creek.«
»Oh, das ist ein ganz schönes Stück Weg.«
»Ich wüßte gern, wie ich Sie anreden soll.«
»Ich bin Katherine Loader. Und Sie heißen Nat Bonnar. Oder einfacher Nat. Also Nat und Kat. Verheiratet?«
Bony antwortete: »Na, was meinen Sie wohl?«
»Ich würde wetten, Sie sind’s. Ich habe nur mit Karten Glück.«
»Sagen Ihnen die Karten auch, daß Ihnen später das Hotel gehören wird?«
»Nein, das nicht. Ich bin zwar Sams Enkelin und werde es doch nie besitzen, denn er wird ja nie sterben. Sieht noch immer genauso aus wie in meiner Kinderzeit. Mein Vater sah, als er mit siebzig starb, doppelt so alt aus wie Sam – nun hören Sie sich das mal an!«
Die Stimme klang fest und doch wie aus einem Grabgewölbe vom Keller herauf. »Oh, komm in meine Arme!«
Einen Augenblick war es still, dann kam die Geigenbegleitung dazu, weich und gedämpft.
Nat und Kat sahen sich über den Schanktisch hinweg an und warteten auf den nächsten Vers. Als es still blieb, sagte Bony: »Kommt denn da nicht noch mehr?«
»Ich glaube kaum. Neues singt er nur, wenn ihm gerade etwas einfällt. – Möchten Sie eine Tasse Tee?«
»Sehr gern«, antwortete Bony prompt.
Sonderbare Situation, dachte er. Die Stadt ist voller Menschen, und das einzige Hotel leer.
Vor der offenen Tür zur Straße fragte jemand: »Ist der alte Sam immer noch unten?«
Bony drehte sich um. Es war der kleine Mann, den Schwester Jenks mit Mr. Ellis angeredet hatte, als die Tragbahre gebracht wurde. »Wird er wohl«, antwortete Bony. »Ich habe ihn gerade noch singen hören.«
»Na, Sie haben aber auch Nerven«, meinte Ellis.
»Wieso?«
»Daß Sie da so ruhig stehenbleiben. Wissen Sie denn nicht, daß Melody Sam sich da unten immer mit ein paar Kisten Dynamit einschließt?«
»Doch, das ist mir soeben erklärt worden«, bestätigte Bony.
»Na, Mann! Wollen Sie denn in solcher Gefahr bleiben? Mir schlägt’s auf den Magen, bloß in der Nähe zu stehen.«
Der Kleine verschwand.
Als Kat Loader mit dem Teetablett kam, sagte Bony: »Sie erwähnten, daß Ihr Großvater schon acht Tage lang zecht. Wäre es nicht Zeit, daß er mal an die frische Luft kommt?«
»Er wird gewiß bald von selbst erscheinen. Machen Sie sich keine Sorge um Sam. Eines Tages kommt er wieder ans Licht.«
»Wovon lebt er denn?«
»Von nichts – außer Whisky.«
»Aber lange kann er’s doch so nicht aushallen, wie?«
»So? Sein Rekord sind bis jetzt fünfzehn Tage. Vor zwei Jahren war das.«
Sie lachte fröhlich.
»Oh, komm in meine Arme!«
Bony stampfte hart mit dem Fuß auf den Boden, worauf der Gesang jäh abbrach. Katherine sah ihn entsetzt an und erblaßte. »Oh, komm zu mir – «
Wieder stampfte Bony kräftig auf den Fußboden und rief jetzt: »Ruhe da unten!
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