Inspektor Bony 24 - Bony und die Maus
Ruhe, sage ich!«
Ein Geigenbogen kratzte rauh über straffe Seiten. Es folgte eine bedrohlich wirkende Stille, plötzlich zerrissen durch die dröhnende Stimme des Sängers: »Hölle und Teufel! Wer erlaubt sich da oben, mir Ruhe zu befehlen?«
»Kichern Sie«, flüsterte Bony zu Kat. »Tun Sie, als sei ich ein stürmischer Liebhaber. Los!« Er ergriff über die Theke ihr Handgelenk. »Scharren Sie mit den Füßen«, verlangte er.
Er selbst tat das mit seinen Reitstiefeln und lächelte zufrieden, als Katherine wirklich zu kichern anfing. Laut sagte er: »Kümmere dich doch nicht um den alten Trottel da unten, Darling.«
»Laß das sein, Nat«, rief sie und bewies damit die schauspielerische Begabung, die ja alle Frauen seit Eva haben. »Nein, nicht doch, nicht hier, Nat. Bitte laß es sein!«
Plötzlich gab es einen harten Knall, als die Falltür über der Kellertreppe hochgeworfen wurde und unter ihr Melody Sam auftauchte.
Als er oben war, fixierte er erbost die beiden ›Liebenden‹. Sam war über einsachtzig groß und stand kraftvoll und aufrecht wie ein Baumstamm da, aber er sah fürchterlich aus.
Als er auf den Schanktisch zuschritt, glitt Katherine gewandt an ihm vorbei und ging schnell hinter ihm zu der Falltür, die sie sofort geräuschlos zumachte.
Sich mit beiden Händen auf die Theke stützend, starrte der unrasierte ungewaschene Mann Bony an, der gelassen dastand.
»Wie heißen Sie?« fragte Loader.
»Ich bin Nat Bonnar.«
»Und was machen Sie hier, Mr. Bonnar?«
»Ich bin der neue Hausdiener«, antwortete Bony.
»Der neue Hausdiener?« brüllte der alte Mann. »He, Kat, was soll das bedeuten?«
Katherine rollte leere Fässer auf die Falltür. Sie antwortete mit einer auf einmal schrillen Stimme: »Den habe ich gerade eben angestellt. Weshalb fragst du?«
»Weshalb ich frage?« schrie der alte Mann. »Wer ist hier der Wirt, zum Donnerwetter?«
Er schlurfte auf Bony zu. »Raus mit Ihnen, egal wie Sie heißen! Hier besorge allein ich das Anstellen, und das Rausschmeißen auch! Hier in diesem Lokal bin ich der Boß, und in der Stadt bin ich’s auch. Wollen Sie friedlich verschwinden oder …?«
»Ich verschwinde überhaupt nicht«, sagte Nat Bonnar in gewollt kläglichem Ton. »Ich kenne Sie nicht, habe Sie noch nie gesehen. Die Dame hier hat mich als Hausdiener angestellt, und das bin ich, bis sie mich selbst entläßt. Lassen Sie mich bloß in Ruhe. Wenn Sie mich anfassen, werde ich Sie durch die Gewerkschaft verklagen. Ich bin ein Arbeiter, und wir haben unsere Rechte!«
Melody Sam explodierte. Er mußte so lachen, daß er ins Wanken geriet, und aus seinem Bartgestrüpp brachen die Worte wie ein Orkan. »Na so was! Erzählt mir der Kerl, er hätte Rechte! Rechte, Rechte, behauptet dieser Mensch! Ich habe das Recht, Sie aus meinem Lokal zu befördern, und wenn ich das mache, fliegen Sie bis an die Garage da drüben!«
Melody Sams Enkeltochter schob einen Eiskasten neben die Fässer über der Falltür. Sie drehte den beiden Männern, die mitten im Lokal standen, den Rücken zu. Sie hörte einen dumpfen Schlag, und als sie sich umwandte, sah sie ihren Großvater taumeln und in Nat Bonnars Arme sinken. »Sie haben ihn geschlagen«, rief sie.
»Er ist im Stehen eingeschlafen«, gab Bony empört zurück. »Ein tüchtiger Hausdiener kann sich in so einem Hotel sehr nützlich machen. Nicht bloß den Hof ausfegen, die Betrunkenen an die Luft setzen, an der Theke helfen, leere Fässer wegfahren, sondern auch dem Boß ein prächtiger Begleiter und Beschützer sein. Wo soll ich Ihren Großvater hinbringen?«
»Hierher«, antwortete Katherine. »Nein, warten Sie. Halten Sie ihn fest.« Sie eilte zur Tür, schloß sie und schob den Riegel vor. Dann lief sie durch den Korridor, und Bony hörte sie auch die Haustür zuschließen. Als sie an der Gangtür erschien, winkte sie Bony zu und rief: »Kommen Sie hier durch, ich zeige Ihnen die Löwenhöhle, wo wir ihn immer hinbringen.«
Der schwerbepackte Bony stolperte ihr nach. Sie gingen durch die Küche, in der Köchin und Hausmädchen sie verblüfft anstarrten, über den Hof und dort nach rechts zu einem Anbau, der ein kleines, hoch angebrachtes Fenster mit Eisenstangen und eine Tür hatte, die selbst ein Pferd nicht hätte zertrümmern können. Dort stand ein Feldbett mit Decken für einen Logiergast bereit.
»Da legen Sie ihn hin«, befahl Katherine Loader.
Bony lud den Alten ab, sie deckte ihn zu. Der Betrunkene stöhnte, seine Augenlider
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