Inspektor Bony 29 - Gefahr fuer Bony
konnte Bony seine erste Erfahrung mit dem anstürmenden Stachelgras sammeln. Bereits Stunden vorher kündigte der weißliche Himmel den aufkommenden Wind an. Er wehte zunächst von Nordwesten und dann von Westen her, wobei seine Gewalt immer mehr zunahm. Bony war bisher mit seinem Abschnitt zufrieden gewesen, denn nirgends hatten sich Unkraut oder abgebrochene Zweige festsetzen können.
Zunächst zauste der Wind die Akazien, riß das trockene Laub von den Eukalyptusbäumen, und die Blätter verfingen sich im Maschendraht. Der Wind zerrte an dem dürren Stachelgras, bis die Filigranbälle von den Stengeln abbrachen und auf den Zaun zurollten. Im Handumdrehen war rings um Bony alles in Bewegung geraten. Stachelgraskugeln, Laub und Zweige wurden gegen den Zaun getrieben, wo sie das Fundament eines rasch anwachsenden Sandwalls bildeten.
Bony befand sich in dem gewellten Land südlich der Dünen. Mit der Heugabel schaufelte er die Stachelgraskugeln hinüber nach New South Wales, wo sie vom Wind weitergetragen wurden. Aber es war ein aussichtsloser Kampf, denn sobald er sich einen Schritt vorangearbeitet hatte, klebten hinter ihm bereits wieder die Stachelgrasbüschel am Zaun. Schließlich kapitulierte er und führte seine Kamele in den Schutz einiger Kohlpalmen. Er nahm ihnen die Lasten ab und befreite sie von den Hobbelketten. Die Tiere wandten dem heranfauchenden Wind ihre Hinterteile zu und legten sich flach auf den Boden.
Auf der dem Wind abgewandten Seite blieb das Stachelgras unbehelligt, aber die Luft war mit rötlichem Staub angefüllt, und die Sonne verwandelte sich in einen glutroten Ball. Es war, als ob der Westrand von New South Wales am Fuß eines endlosen Dammes lag. Stundenlang wurden die Stachelgraskugeln an Bony vorübergetrieben, und als der Inspektor zum Zaun blickte, sah er lediglich einen gelben Wall, über den ganze Knäuel der stachligen Bälle angesegelt kamen. Sie prallten gegen die Kohlpalmen, gegen die Leiber der Kamele. Den ganzen Tag über, bis tief in die Nacht hinein heulte der Sturm.
Gegen Morgen ließ die Gewalt des Sturmes rasch nach. Das Läuten des Kamelglöckchens verriet, daß die Tiere auf Futtersuche gegangen waren. Als es hell wurde, wälzte sich Bony unter der mit einer dicken Sandschicht beladenen Plane hervor, zündete das Lagerfeuer an und stelle das Teewasser auf.
Im Westen schien eine dunkle Sandwand aufzuragen, die sich bei näherem Hinschauen als gigantischer Graswall entpuppte. Die ganze Arbeit, die Nuggets Leute und Bony bisher geleistet hatten, war umsonst gewesen.
Den ganzen Tag lang schaufelte der Inspektor die Stachelgrasballen über den Zaun auf das Gebiet von New South Wales. Am nächsten Tag mußte er seine Kamele zur Tränke führen. Nachdem dies erledigt war, rechte er die Überreste an Gras, Laub und Zweigen zu großen Haufen zusammen und zündete sie an. Als Newton zur gewohnten Kontrolle auftauchte, hatte Bony den Zaun auf eine Länge von zwei Meilen gesäubert.
»Na, wie gefällt Ihnen der Job?« fragte der Zaunwart, und seine braunen Augen funkelten schelmisch.
»Ich glaube kaum, daß er mir auf die Dauer gefallen könnte«, stellte Bony sarkastisch fest. »Wie sieht der Zaun südlich meines Abschnitts aus?«
»Dort ist es nicht ganz so schlimm. Der Everest kann natürlich verschüttet worden sein. Genausogut ist es möglich, daß sein Gipfel weggeweht wurde. Wie steht es bei Ihren Kamelen mit Wasser?«
»Sie wurden vorgestern getränkt.«
»Dann werde ich heute nacht bei Ihnen kampieren.«
Bei Sonnenuntergang hörte Bony mit seiner Arbeit auf und ging zu Newton, der gerade ein Buschbrot backte. Gemeinsam kochten sie für den nächsten Tag gepökeltes Fleisch vor. Das Nachtmahl bestand aus kaltem Fleisch und Kartoffeln. Sie unterhielten sich über die vermutlichen Viehdiebstähle. Newton erklärte mit Nachdruck, daß kein einziges der gestohlenen Rinder – falls es sich tatsächlich um Diebstahl handelte – durch ein zu seinem Zaunabschnitt gehörendes Gattertor getrieben worden sei.
»Ich hielt es für besser, den Polizeichef von Broken Hill von dem Vorfall zu unterrichten, und da ich außerdem verschiedene Dinge mit Joyce zu besprechen hatte, besuchte ich den Viehzüchter neulich in seinem Wohnhaus. Ich benützte die Ausrede, mir den Magen verdorben zu haben. Joyce weiß nun, wer ich bin, und versprach jede Unterstützung. Auch den Verwalter habe ich eingeweiht. Dieses Risiko mußte ich eingehen. Der eine Abo, der den Verwalter begleitete,
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